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m. v. K.
junger Landstreicher, schon mehrfach eines die Unsrigen schwer schädigenden Verraths verdächtig, endlich eingesangen sei. Da ihm kein anderer Answeg übrig blieb, hatte er die Frechheit zu behaupten, daß eine Verwechselung seiner Person stattgefnnden habe. Er wollte ein Lützower Jäger sein, von seinem Commandeur einer Unterhandlung mit Colonell Villier wegen abgesandt. Geleitsbrief, nebst anderen Legitimationspapieren, sowie seine Uniform, gab er vor durch einen räuberischen Ueberfall unserer umherschweisenden Truppen eingebüßt zu haben. Er log ziemlich schlau, denn er log um sein Leben. Aber Niemand schenkte seiner höchst unwahrscheinlichen Geschichte Glauben, da er nicht den geringsten Beweis beizubringen vermochte, — und Durchlaucht befahlen selbst, kurzen Proceß mit ihm zu machen."
„Kurzen Proceß!" wiederholte der General mit hartem Lachen, „Giebt es keinen Hanf mehr im Lande, daß man das theure Pulver und Blei an ihm verschwendet? Wozu der Aufzug mit dem Spion?"
„Er war auch zum Strang verurtheilt; doch der junge Mensch wußte so beweglich zu bitten, nicht um sein Leben — nur um einen ehrlichen Soldatentod, — daß der Kommandant ihn zu Pulver und Blei begnadigte."
„Der Mann wird alt," sprach Davoust scharf. „Notaren Sie ihn, er soll demnächst Gelegenheit finden, seinen Platz minder schwachherzigen Leuten zu räumen."
Damit hatte er dicht hinter dem „zu Pulver und Blei Begnadigten" das dunkle Thor passirt, — und gerade, als sein Pferd in das freie Feld hiuaustrat, brach die Sonne durch den Nebel — ein purpurrother Ball, der in all seiner Glorie weithin den Himmel färbte — immer glühender — immer strahlender — Blut und Fener zugleich, — und der selbst einen zitternden Abglanz aus den Weg des Hoffnungslosen streute.
„Die Sonne von Austerlitz!" murmelte der Marschall, einer dunklen Erinnerung nachgebend, — der auf dem Todesgange aber streckte im selben Augenblick die Hand zum rothen Himmel auf und rief ihm laut und freudig zu wie einem grüßenden Freunde:
„Legrand!" —
Dabei hatte sich das scheuende Thier des Generals dicht an ihn herangedräugt, — der junge Mann hob das Gesicht, vom Strahl der Sonne wie mit Hellem Verklärungsschein übergossen, zu dem feindlichen, noch immer Gewaltigen empor, und sie schauten einander mit einem langen, festen, forschenden Blick ins Auge. Der Geist des todten Tambours stieg zwischen ihnen aus dem Grab empor, um die beiden fremden und feindlichen
Männer ein geheimnißvolles, magisches Band webend, dem sie sich nicht entziehen konnten. —
„Halt," befahl der Marschall und warf sein Pferd so scharf vor dem kleinen Tambour herum, daß ihm der Wirbel schrill abbrach, „laßt den Gefangenen vortreten! — Hierher! Wie heißest Du?"
Ein finsterer Trotz bäumte sich in dem Angeredeten empor und ließ ihn die Zähne aufeinander pressen und die Hände zusammenballeu. Kein Laut kam über die zuckenden Lippen.
Der feindliche Befehlshaber mußte sein Gebot wiederholen, und er that es mehr drängend, als gebieterisch.
„Es ist gleich, ganz gleich," brach cs nnn zornig zwischen den zusammengepreßten Lippen des Gefangenen hervor, „ich habe es oft genug gesagt und keinen Glauben gefunden. Nun wiederhole ich es kein Mal mehr, kein einziges Mal!"
„Trotziger Barsche — so schweig und stirb! Doch Du riefst vorhin einen Namen — den eines todten Mannes! Kanntest Du Legraud?"
„Ich kaunte ihn," rief der Verurtheilte, und die innere Bewegung schmolz den Trotz seiner Stimme. „Es war mir, als sähe ich ihn riesengroß vor mir herschreiten — den alten Tambour mit dem fliegenden grauen Haar und der zerschossenen Stirn — immer der Sonne von Austerlitz zu, — der Siegessonne, die Blut und Feuer zugleich ist. Damals, als ich ihm zuhörte, ahnte ich freilich nicht, daß sie mir einst so scheinen würde!" i Auch der Marschall sah ihn — deutlich trat er ihm wieder vor Augen: Der alte Brave, stets ^ der Erste in der Schlacht — mit seiner rauhen Außenseite und seinem liebebedürftigen, warmen ^ Herzen, das sich selbst einem verschmachtenden ! Vögelchen anhing, da ihm nichts Anderes blieb, und das Nieder das Kriegsleben noch harte Schicksalsschläge je zu verhärten vermochten. Wie hätte ! Davoust ihn auch vergessen können, den Einzigen, dem er jemals Gnade bot — und der doch stolz die Gnade aus seiner unwerthen Hand verschmähte!
„Arme Toinette," seufzte da der Gefangene au seiner Seite, — und zugleich trat eine Erscheinung ganz anderer Art wie die des alten Tambour vor j den General und doch mit jenem im innigsten Zu- ^ sammenhange. Das kleine Mädchen mit der herzbewegenden Stimme und den beseelten Augen, aus ! denen der Unschnldsgeist jener anderen, hingeopferten Toinette blickte, — sei ruhig, kleine Fürsprecherin,
! Deine Stimme ist nicht ungehört verhallt — sie tönt noch durch den Kriegslärm wilder Jahre fort!
„Du weigerst Dich Deiuen Nameu zu nennen,
! junger Mann," sagte der Marschall, „so will ich ! selbst Dir sagen, wie Du heißest: Joachim Stahl!
> Ja, Du bist der Dritte in jenem seltsamen Freund-