Issue 
(01/01/2019) 11
Page
510
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

510

Die Schlösser König Ludwig's II.

zu dringen," sagten wir höflich,wir glaubten kein Unrecht zu thun."

Mit Gottesfurcht und Dreistigkeit kommt man durch die ganze Welt," erwiederte freundlich der Angeredete,wenn des Königs Majestät noch lebte, wären Sie nicht mehr am Leben, sondern lägen bereits erschlagen in der Pöllatschlucht oder im Burgverließ." Dabei lud er mit freundlicher Hand­bewegung ein in die Gemächer zu treten. Wie alle Zimmer in der Farbe der Sammet- und Seiden­stoffe verschieden, fo hatte auch das Speisezimmer in allen Details feine eigene Farbe, nämlich bordeauxrotst In der Mitte stand ein Speisetisch mit vier Stühlen, an welchem der unglückliche Monarch sein Frühstück kurz vor seiner Fortführung nach Schloß Berg genommen; auf dem Fuß des Candelabers lag noch die halbaufgeranchte Cigar- rette, zahlreiche Brodkrumen bedeckten den Teppich und in der Mitte des Tisches standen ein Blumen­strauß und zwei silbervergoldete Tafelaufsätze, Lohengrin und Siegfried als Drachentödter dar­stellend, beides im Detail meisterhafte Arbeiten des Münchener Kunstgewerbes. Der König hatte eben gespeist und fühlte sich beruhigt in dem Glauben, daß die Commission geblendet im Burgverlies; schmachte, als er laute Schritte auf der Treppe hörend hinaustrat, um sich von der ungewohnten Störung zu überzeugen. Er fand die Treppe durch Wachen besetzt, welche seine Absicht verhindern sollten, sich von dem Thurm des Schlosses in die Pöllatschlucht hinabznstürzen, wahrlich eine schwindel­erregende Luftreise von tausend Metern und eine Todesart würdig eines irrsinnigen Königs. Hier­an der Treppe bannte ihn das große, freundliche Auge des sich ihm in milder Ruhe entgegenstellen­den Or. von Gudden. Neben dem Speisezimmer, welches prachtvoll geschnitzte Renaissanceschränke und eine Menge Prnnkgefäße schmücken und dessen Kamin einen riesigen Schwan aus Porzellan trägt, liegt das Arbeitszimmer des Monarchen, dessen Möbelstoffe grün mit schweren Goldauflagen ver­sehen das reichgestickte L. mit der bayerischen Krone tragen, an den Wänden spielt sich die Tannhäuser­sage ab, die völlig nackten Nymphen mit der ge­krönten Venns sind in ihrer Gruppirnng vom Könige selbst entworfen. Auf dem Schreibtische sehen wir wiederum Lohengrin mit dem Schwan aus massivem Silber und Gold als Tintenfaß ge­dacht, daneben einige Gänsefedern, die sehr tief eingetancht, noch feucht und erst kürzlich gebraucht zu sein schienen; auch eine kostbare Stahlfeder mit goldenem Halter lag bei der mit Edelsteinen be­setzten golddurchbrochenen Schreibmappe. Von hier aus gelangten wir in ein geräumiges Empfangs­zimmer, welches durch Siegfrieds Tod, gemalt von Piloty, geschmückt ist. Dieser Raum hatte für

den König noch seinen besonderen Zweck. Des Königs Freigebigkeit liebte es besonders auch zur Weihnachtszeit, reiche Spenden auszutheilen und Ende November begann er mit seinen Weihnachtsein- käufen. Da wunderten denn wochenlang jeden Tag die schwersten Kisten aller erdenklichen Kanfleute und Händler auf die Götterburg. Von nah und fern kamen die Geschäftsleute und wälzten ihre Waaren in großen Wagenladungen, trotz Schnee und Winter­frost den Berg hinauf. In diesem Empfangszimmer- Würden die ansgepackten Waaren ausgestellt und der Monarch verbrachte Nächte lang in diesem Raume, wie ein königlicher Weihnachtsmann schaltend und answählend, wobei der geringste seiner Hofbeamten in München und auf den Schlössern reich bedacht wurde. Diese Weihnachtsauswahl fand stets in so reichem Maße statt, daß der unten im Schloß­hose wartende Kaufmann stunden- und tagelang mit anderen zugereisten Collegen sich einem fröh­lichen Zechgelage hingeben konnte, nm endlich mit wahrhaft fürstlichen Ankäufen und weiteren Auf­trägen zu Thale ziehen zu dürfen. Diese Weih­nachtswochen bilden Sonnenblicke in dem verdüsterten Seelenleben des Königs und wiederholten sich ans Hohenschwangau und Schwanstein seit zwanzig Jahren mit militärischer Pünklichkeit, jeder Mün­chener Geschäftsmann hatte seinen bestimmten Tag und Stunde, wo er, das heißt seine Kisten, im Empfangszimmer vorgelassen wurde.

Wie das Arbeitszimmer eine traurige Denk­würdigkeit erlangt hat durch all' die wüsten Be­fehle und Todesurtheile, die der Irrsinnige hier­zu Papier brachte, so entbehrt auch das Speise­zimmer seiner Tragikomik nicht. Hier speiste er, gekleidet in der Rococotracht der Pvmpadonrzeit, in der ihm angenehmen Gesellschaft Ludwigs XIV. und XV. und der unglücklichen Königin Maria Antoinette, die er besonders in sein Herz geschlossen hatte. Diese alte erlauchte Gesellschaft in Pondre und Allongenperrücken saßen im steifsten Hofcere- moniell an seiner Tafel, wenigstens glaubte der König in seinen Hallucinativnen diese historischen Gestalten besuchsweise um sich zu haben, und während der Wahnbefangene mit leeren Stühlen zu Tische saß, erblickte er sie wie Banko's Geist an seiner Tafel und führte laute und eingehende Conversation mit ihnen. Dieses Ceremoniell von einer langen reichbesetzten Tafel mit leeren Stühlen hat der König schon vor langen Jahren einmal in alter Rococotafelpracht ausgeführt, wobei er in liebenswürdiger Weise den Wirth machte und jedem goldbrokatbestickten Stuhle etwas Angenehmes zu sagen wußte. Auf seinem Arbeitstische prangte auch lange Zeit eine reizende Zeichnung von dem Maler Heinrich Lossow in München, welche eine fröhliche im Champagner schwelgende Tischgesellschaft