Die Schlösser König Ludwig's II.
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von Herren und Damen aus der Zeit der Poudre- perrücken und Schönheitspflästerchen darstellte. Dieses Blatt war lange Zeit eines seiner Lieblingsbilder, es ist auch im Ackermann'schen Kunstverlage unter dem Titel: »Dntro nons« ans Wunsch des Königs publicirt worden, obgleich er sonst sehr eifersüchtig ans die Publication seiner Schätze war.
Aus dem Speisezimmer gelaugt man in's Schlafzimmer, offenbar den schönsten Raum in der Privatbehausung des Königs. Es ist bayerisch-blau, die Lieblingsfarbe des Monarchen, und wiederum sind alle Draperien, Rücklehnen und Sitze der Stühle mit fingerdicker Goldstickerei versehen. Das Bett mit einem schweren gothischen Traghimmel wie ein Kanzeldach und Baldachin ausgestattet, ist von einer Ausdehnung, daß bequem sechs Menschen darin Platz haben, die schwere, kunstvolle Holzschnitzerei reicht bis zum Plafond hinauf, am Kopfende befindet sich eine Madonna, auf dem Betttischchen daneben steht ein zusammenlegbarer kleiner Hausaltar mit Flügelbildern. An den Wänden des Schlafgemachs sind wiederum die üppigsten Scenen aus Tristan und Isolde in Lebensgröße; man sieht, daß Wagner's Minne den König bis in den tiefsten Traum zu verfolgen berufen war. Neben an befindet sich ein erkerhafter Ausbau, die Hauskapelle darstellend, mit Malereien aus dem Leben des heiligen Ludwig; aus allen Bett- und Altardecken prangen in Brokatgoldstickerei des Königs Lieblingsthiere, die bayerischen Löwen und die gekrönten Schwäne, ein silberner Schwan spendet das frischeste Waschwasser wie es eben von der Hochquellenwasserleitung des Tegelkopfes hergeleitet wird, diese Leitung versorgt alle Stockwerke; ebenso reicht ein Speisenauszug bis in den vierten Stock. Drei Riescnöfen besorgen die Luftheizung aller Räume, für den Thronsaal ist eine eigene Luftheizung angelegt. Im Ankleidezimmer nebenan erblicken wir die sich um Walther von der Vogelweide gruppi- renden Minnesänger und Scenen aus den „Meistersingern von Nürnberg" fehlen natürlich nicht. Alle Wasch- und Trinkgeschirre tragen den bayerischen Löwen und den Schwan als Emailarbeit, ein hübsch gearbeiteter Toilettenschrank zeigt in deutlicher Darstellung die Ausübung des gu8 prirnao nootm des mittelalterlichen Herrenrechtes. Betreten wir nun noch das größte aller Zimmer, das Wohnzimmer, so staunen wir über die prächtigen Bilder aus der Lohengrinsage, auf dem Sophatisch, an welchem der König oft und lange traumbefangen saß, steht zwischen Girandolenleuchtern das reich umrahmte Bildniß Ludwigs XIV., mit welchem er lange französische Zwiegespräche zu halten Pflegte, dann trat er auf den glasumdeckteu, blumenreichen Balkon hinaus und blickte in den Sternenhimmel stundenlang, tief unter sich die brausende Pöllatschlucht,
und wenn er des nächtlichen Naturwaltens genug hatte, betrat er eine Grotte, wo ein künstlicher Mond mit seinen elektrischen Strahlen einen künstlichen Wasserfall (im dritten Stockwerk!) magisch beleuchtete.
In den oberen Stockwerken liegen der Thronsaal und der Sängersaal mit Darstellungen aus Gudrun, Nibelungen und Parzival. Der Sängersaal zeigt nach der einen Seite eine Säulenreihe, die einen abgegrenzten Raum bildet und eine Galerie trägt, auf deren Säulen dann die in bunten Farben getäfelte Holzdecke ruht. Eine Menge kolossaler Kronleuchter, reich mit dreitausend Kerzen versehen, geben ein taghelles Licht. Im Hintergründe befindet sich ein bühnenartiger Abschluß, eine waldige Landschaft mit dem Weltenbaum der Edda darstellend, in dessen Schatten die Weltenquellen entspringen und an dessen Stamm ein munteres Eichhörnchen aus und niederhüpft. Eine Menge Sitze in den Farben der Minnesänger ohne Rückenlehne stehen im Saale reihenweise aufgestellt, ebenfalls aus prachtvollen golddurchwirkten Seidenstoffen.
Wir stehen geblendet und starr vor Staunen ob all' dieser Herrlichkeit, wir haben viele Schlösser und reiche Herrensitze, Kirchen und Paläste besticht, aber solche majestätische Pracht sahen wir nie. Man fragt sich wohl vergeblich: „Für wen das Alles?" Hat doch der König am Eingang dieses Stockwerkes nach eigener Idee und eigenem Wunsch einen häßlichen grauen Drachen vor das Allerheiligste als Hüter hingesetzt und wenn man vergeblich nach einer Lösung für dieses Räthsel sucht, so tritt uns eine schwarz verhüllte Nachtgestalt schaudernd entgegen und rannt uns in's Ohr: Hier verkehrte der König mit seinen Spukgestalten aus der Geschichte und Sage, mit denen er stundenlange Gespräche führte und mit denen er eine lange, lange ewig währende Götterzukunft wie in Walhall zu verleben wähnte. Eine solche Zukunft schwebte ihm vor, welcher der grausige Sturz vom Schloßthurm in die Pöllatschlucht voraus zu gehen hatte, um dann von Walküren getragen in die eigene Burg auf Fledermausflügeln und stolzen Rappen in die oberen Stockwerke als Wotan einzuziehen und zu herrschen.
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Tausend und eine Nacht oder die hängenden Gärten der Semiramis betitelt sich im Volksmund ein Ban, welcher, ein Kabinetsstück der Gartenkunst, sich oben auf dem Dache der königlichen Residenz in München befindet und von Ludwig II. mit unerhörten Anforderungen an die Gesetze der Statik au einen Platz gestellt wurde, wohin man sonst keine Gärten zu verlegen Pflegt. Als der alte