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(01/01/2019) 11
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M. de Libinsky. Ainderheilstätten an 5ool- und Zeebadeorten.

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gesunde Kost, führt sie in den tannendustcnden Wald!" thronenden Auges eingestehen:Ja, uns fehlen die Mittel, um das zu können!"

Nun, da Dank der Initiative einer hochher­zigen Frau die Mittel zum Bau von Seehospieen vorhanden, werden auch für Oesterreich jene Insti­tute lebensfähig werden, die im Norden Deutsch­lands, in Frankreich, England, Holland, Dänemark bereits seit Jahren zum Wohle der skrophnlösen Kin­der segensreich wirken.

Eine in baulicher und hygienischer Hinsicht als Muster dienende Anstalt ist die unter dem Protec- torat des deutschen Kronprinzenpaares stehende Kin­derheilstätte zu Norderney.

Sie kann als echter Tempel der Humanität gelten, als einer jener Prachtbauten, die unserem Jahrhundert zur Ehre gereichen.

Dem verewigten Professor Beneke, jenem edlen Manne, der zuerst auf die mächtige Heilkraft der Seeluft für skrophulöse Kinder aufmerksam machte, der in selsenfestein Vertrauen auf die Durchführbar­keit seiner Ideen an die Verwirklichung derselben ging und seine Kollegen, hohe und höchste Persön­lichkeiten und weiteste Kreise des deutschen Volkes für dieselben zu interessiren wußte, gebührt das Verdienst den Plan zu jenem großartigen Bau ent­worfen. das Werk mit aller ihm zu Gebote stehen­den Kraft gefördert zu haben.

Mehr als 400 Kinder können in diesem, nach allen Regeln der Kunst erbauten Hospice Aufnahme finden.

Im Parterre befinden sich die Spiel- und Unter­richtsstuben, der Speisesaal, im Obergeschoß die präch­tig ventilirten Schlafräume mit offener Halle nach Süden; die kleinen Kranken, die an's Bett gefesselt sind, werden in ihren Betten hinausgerollt und athmen tagsüber die stärkende, erfrischende Seeluft ein, ohne sich von ihrem Lager zu erheben.

Alle oberen Fensterflügel der Wohn- und Schlaf­räume find um die horizontale Axe drehbar, und mittels des Maraskyschen Verschlusses leicht aufzu­stellen.

Die musterhafte Kücheneinrichtung dürfte den Neid manches Vorstehers größerer Anstalten erregen.

In dem hohen, überwölbten Raum ist ein Beckerscher Dampfkochapparat von 600 Liter Raum­inhalt aufgestellt, der es ermöglicht, jede Speise mit der zur Entwickelung ihres Nährstoffs geeigneten Temperatur zu kochen.

In dem im Winter zu benutzenden Warmbade- hause sind auf siebartig durchlöchertem Fußboden 12 Badewannen aufgestellt; das Seewasser wird durch eine heberartig wirkende Röhrenleitung mittels Pulsometer über die Dünen hinweg angesogen und in die Reservoirs geleitet.

Diesem Musterhospice sollen bald andere, nach gleichem System erbaute an der Ost- und Nordsee

II. 2.

folgen. Bedenkt man, daß der größere Theil der kranken Kinder nur aus Mangel au guter Luft und genügendem Raum siech geworden, so kann - man nachsühlen, mit welcher Wonne sie in die hohen und weiten Hallen der Anstalt eintreten, mit welch gutem Erfolg sie in denselben weilen werden.

Das erste Seehospiz ward bereits im Jahre 1796 zu Margate an der englischen Küste ge­gründet; die dort erzielten Erfolge regten den zur Zeit in England weilenden Italiener vr. Barellai an, die medicinische Gesellschaft seiner Vaterstadt Florenz für den Bau von Seehospizcn an der ita­lienischen Küste zu interessiren. Barellai veran­staltete Sammlungen, wirkte durch Wort und Schrift für seine Idee und hatte die Freude in Viareggio das erste Seehospiz Italiens erblühen zu sehen. Bald feuerte dann die Kunde von den großen Heil- resultatcn desselben zur Gründung anderer, wich­tiger Anstalten dieser Art an; das von Barellai ausgestreute Samenkorn hat weit hinaus über die Grenzen seines Vaterlandes die herrlichsten Früchte gezeitigt.

Aus deni Fond der General-Armenverwaltung von Paris wurde das Seehospiz in Berk-sur-mer, das nahezu 650 Kinder aufnehmen kann, erbaut; es enthält sechs große Schlafsäle, drei Eßsäle, Ve­randen, Hallen, die zu Spielräumen eingerichtet sind, offene Säle für bettlägerige Kinder, die stets an der Luft sein müssen re.

Die Behandlung der Kinder wird von drei er­fahrenen Aerztcn, denen zwölf Diaconissinnen unter­stehen, geleitet. Man legte großen Werth auf kräftige, animalische Kost, kalte Abreibungen, See­bäder, Gymnastik, kräftiges Eiuziehen der Salzluft.

Das gleichfalls in Berk-sur-mer gelegene Roth- schild'sche Seehospiz, zur Aufnahme von 100 Kin­dern berechnet, die Freedland'sche Anstalt für rha- chitische Kinder zu Nizza, das Daumon-Hospiz zu Calais, das von Armengaud erbaute zu Cette sie Alle wirken seit Jahren segensreich.

Irl Italien sucht man gleichfalls durch Unter­stützung der in Venedig, Pesaro, Nervi, Fano, Pa­lermo, Rimini, Celle errichteten Hospize der Kin­dersterblichkeit Einhalt zu thun.

Königin Margherita ist hier die gute Fee, die überall hilft, heilt, Segen spendet.

Zur Zeit meines Aufenthalts in Venedig siel es mir aus, daß alle Morgen um 6 Uhr ein mit mehreren hundert Kindern besetztes Schiff den Ca­nal grande entlang nach dem Lido zusuhr. Auf meine Anfrage, wer denn die Kleinen da hinaus­schicke, antwortete man mir:Unsere gute Königin!" Das Hospize auf dem Lido, in dem Jahr ein Jahr aus 300 Kinder verpflegt werden, erfreut sich gleich­falls der besonderen Fürsorge der hohen Frau; aus eigenen Mitteln hat die Königin ein Jsolir-

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