M. de Libinsky. Ainderheilstätten an 5ool- und Zeebadeorten.
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gesunde Kost, führt sie in den tannendustcnden Wald!" thronenden Auges eingestehen: „Ja, uns fehlen die Mittel, um das zu können! —"
Nun, da Dank der Initiative einer hochherzigen Frau die Mittel zum Bau von Seehospieen vorhanden, werden auch für Oesterreich jene Institute lebensfähig werden, die im Norden Deutschlands, in Frankreich, England, Holland, Dänemark bereits seit Jahren zum Wohle der skrophnlösen Kinder segensreich wirken. —
Eine in baulicher und hygienischer Hinsicht als Muster dienende Anstalt ist die unter dem Protec- torat des deutschen Kronprinzenpaares stehende Kinderheilstätte zu Norderney.
Sie kann als echter Tempel der Humanität gelten, als einer jener Prachtbauten, die unserem Jahrhundert zur Ehre gereichen.
Dem verewigten Professor Beneke, jenem edlen Manne, der zuerst auf die mächtige Heilkraft der Seeluft für skrophulöse Kinder aufmerksam machte, der in selsenfestein Vertrauen auf die Durchführbarkeit seiner Ideen an die Verwirklichung derselben ging und seine Kollegen, hohe und höchste Persönlichkeiten und weiteste Kreise des deutschen Volkes für dieselben zu interessiren wußte, gebührt das Verdienst den Plan zu jenem großartigen Bau entworfen. das Werk mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft gefördert zu haben. —
Mehr als 400 Kinder können in diesem, nach allen Regeln der Kunst erbauten Hospice Aufnahme finden.
— Im Parterre befinden sich die Spiel- und Unterrichtsstuben, der Speisesaal, im Obergeschoß die prächtig ventilirten Schlafräume mit offener Halle nach Süden; die kleinen Kranken, die an's Bett gefesselt sind, werden in ihren Betten hinausgerollt und athmen tagsüber die stärkende, erfrischende Seeluft ein, ohne sich von ihrem Lager zu erheben.
Alle oberen Fensterflügel der Wohn- und Schlafräume find um die horizontale Axe drehbar, und mittels des Maraskyschen Verschlusses leicht aufzustellen.
Die musterhafte Kücheneinrichtung dürfte den Neid manches Vorstehers größerer Anstalten erregen.
— In dem hohen, überwölbten Raum ist ein Beckerscher Dampfkochapparat von 600 Liter Rauminhalt aufgestellt, der es ermöglicht, jede Speise mit der zur Entwickelung ihres Nährstoffs geeigneten Temperatur zu kochen.
In dem im Winter zu benutzenden Warmbade- hause sind auf siebartig durchlöchertem Fußboden 12 Badewannen aufgestellt; das Seewasser wird durch eine heberartig wirkende Röhrenleitung mittels Pulsometer über die Dünen hinweg angesogen und in die Reservoirs geleitet.
Diesem Musterhospice sollen bald andere, nach gleichem System erbaute an der Ost- und Nordsee
II. 2.
folgen. — Bedenkt man, daß der größere Theil der kranken Kinder nur aus Mangel au guter Luft und genügendem Raum siech geworden, so kann - man nachsühlen, mit welcher Wonne sie in die hohen und weiten Hallen der Anstalt eintreten, mit welch gutem Erfolg sie in denselben weilen werden.
Das erste Seehospiz ward bereits im Jahre 1796 zu Margate an der englischen Küste gegründet; die dort erzielten Erfolge regten den zur Zeit in England weilenden Italiener vr. Barellai an, die medicinische Gesellschaft seiner Vaterstadt Florenz für den Bau von Seehospizcn an der italienischen Küste zu interessiren. Barellai veranstaltete Sammlungen, wirkte durch Wort und Schrift für seine Idee und hatte die Freude in Viareggio das erste Seehospiz Italiens erblühen zu sehen. Bald feuerte dann die Kunde von den großen Heil- resultatcn desselben zur Gründung anderer, wichtiger Anstalten dieser Art an; das von Barellai ausgestreute Samenkorn hat weit hinaus über die Grenzen seines Vaterlandes die herrlichsten Früchte gezeitigt.
Aus deni Fond der General-Armenverwaltung von Paris wurde das Seehospiz in Berk-sur-mer, das nahezu 650 Kinder aufnehmen kann, erbaut; es enthält sechs große Schlafsäle, drei Eßsäle, Veranden, Hallen, die zu Spielräumen eingerichtet sind, offene Säle für bettlägerige Kinder, die stets an der Luft sein müssen re.
Die Behandlung der Kinder wird von drei erfahrenen Aerztcn, denen zwölf Diaconissinnen unterstehen, geleitet. Man legte großen Werth auf kräftige, animalische Kost, kalte Abreibungen, Seebäder, Gymnastik, kräftiges Eiuziehen der Salzluft.
Das gleichfalls in Berk-sur-mer gelegene Roth- schild'sche Seehospiz, zur Aufnahme von 100 Kindern berechnet, die Freedland'sche Anstalt für rha- chitische Kinder zu Nizza, das Daumon-Hospiz zu Calais, das von Armengaud erbaute zu Cette — sie Alle wirken seit Jahren segensreich.
Irl Italien sucht man gleichfalls durch Unterstützung der in Venedig, Pesaro, Nervi, Fano, Palermo, Rimini, Celle errichteten Hospize der Kindersterblichkeit Einhalt zu thun.
Königin Margherita ist hier die gute Fee, die überall hilft, heilt, Segen spendet.
Zur Zeit meines Aufenthalts in Venedig siel es mir aus, daß alle Morgen um 6 Uhr ein mit mehreren hundert Kindern besetztes Schiff den Canal grande entlang nach dem Lido zusuhr. Auf meine Anfrage, wer denn die Kleinen da hinausschicke, antwortete man mir: „Unsere gute Königin!" Das Hospize auf dem Lido, in dem Jahr ein Jahr aus 300 Kinder verpflegt werden, erfreut sich gleichfalls der besonderen Fürsorge der hohen Frau; aus eigenen Mitteln hat die Königin ein Jsolir-
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