Rarawanserai in Skutari.
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bewachsenen Höhen klar erkennen konnte, sondern auch die kleinen, an den meist steilen Bergwänden verstreuten Ortschaften mit ihren Olivenwäldern, die noch heutzutage ein köstliches Oel liefern, einen Hauptausfuhrartikel nach Triest und Italien hinüber des im Ganzen nur armen Landes.
Arm aber schön, und von einem der schönsten Menschenschläge der Welt bewohnt. Die letztere Schönheit ist unbestritten, aber die des Landes ist sehr relativ zu nehmen, denn sie ist durchaus eigenartig, und die Touristen klagen über schlechte und zur Regenzeit grundlose Wege und mehr noch über die abscheulichen Wirthshäuser, die diesen Namen gar nicht verdienen und die Hellwald und Beck in ihrem interessanten Buche „Die heutige Türkei" geradezu barbarisch nennen. In Dalmatien, von wo die Reisenden kamen, gebe es doch noch Herbergen mit Tischtüchern und Gabeln, aber sowie man die türkische Grenze überschritten habe, sei es vorbei mit der Civilisation. Ganz so schlimm ist es nun wohl nicht, oder doch höchstens nur in den kleinsten Gebirgsdörsern, aber man wird dafür durch wunderschöne Landschaftsbilder entschädigt, die an Großartigkeit und Mannigfaltigkeit denen der Alpen nicht nachstehen.
Albanien zieht sich an der Ostseite des adriatischen Meeres entlang bis nach Griechenland hinunter; eine Fortsetzung Dalmatiens, nur daß sich zwischen beide Länder das kleine Montenegro hineinschiebt, mit seiner kecken, kriegerischen Bevölkerung, die im Ganzen kaum 200,000 Seelen umfaßt. Aber jeder Mann, schon vom zarten Knabenalter an, der eine Waffe tragen kann, ist dort Soldat. Die Bewohner der „Schwarzen Berge" haben auch niemals die Oberhoheit der Türkei anerkannt und nennen sich mit Stolz ein freies Volk. Man sieht sie oft in ihrer malerischen Tracht, den Gürtel immer mit Pistolen und Dolchen gespickt, über die Grenze kommen und in dem nahegelegenen Sku- tari, wohin wir den Leser jetzt führen werden, ihre Einkäufe machen: zuerst natürlich Pulver und Blei, alsdann bunte Stoffe für ihre Sonntagskleider, und auch wohl ein kleines goldenes oder silbernes Schmuckstück für ihre Frauen und Mädchen. Manchmal kommt es bei solchen Besuchen auch zu blutigen Händeln, denn der Albanese, der unter türkischer Botmäßigkeit steht, ist eifersüchtig auf den freien Montenegriner und hält sich für ebenso tapfer und kriegstüchtig. Ist doch der größte und berühmteste Held des ganzen Orients, Skanderbeg (Jskander) ein Sohn seines Landes; Skanderbeg, der in den vielen Türkenkriegen mit eigener Hand über 2000 beturbante Feindesköpfe abgeschlagen — vermuthlich eine Null zu viel, aber selbst dann noch immer eine respektable Ziffer. Albanesen waren es auch, die in früheren Jahrhunderten in
den meisten Ländern des Islam als Soldtruppen dienten, gewissermaßen die Schweizer des Orients, und das albanesische Regiment Mohammed Ali's war es, das im Jahre 1811 auf der Citadelle von Kairo die Mamelucken-Beys zusammenschoß und dadurch den Usurpator zum Herrn von Aegypten machte.
Jetzt sind die Albanesen nicht mehr so wild und unbändig, denn die Zeiten sind anders geworden, aber die Männer nennen sich doch noch immer mit Vorliebe gern „Palikaren", die Tapferen. Man trifft sie überall in den größeren Städten des Orients, in Konstantinopel, in Smyrna, in Alexandria und Kairo, wo sie als „Kawasfen" im Dienst der reichen Pascha's stehen und in ihrer schönen, phantastischen Nationaltracht viel zur bnnten Staffage beitragen, mit welcher sich die türkischen Großen auch noch heute gern umgeben.
Skutari, auf türkisch: Schkodra, die Hauptstadt Albaniens, liegt nun seltsamerweise ganz an der Nordspitze des Landes, hart an der montenegrinischen Grenze. Die Triester Dampfschiffe bringen die Reisenden bis nach Cattaro in Dalmatien; von dort geht ein kleinerer Dampfer nach Anti- vari, das die Montenegriner in jüngster Zeit, ohne wirksamen Einspruch der Pforte, keck annectirt haben .... „nach berühmten Mustern", möchte man fast sagen. Von Antivari nach Skutari sind nur wenige Meilen, aber im Herbst zur Regenzeit braucht man eine volle Tagereise, um hin zu gelangen, denn, wie wir bereits oben bemerkten, hört beim Betreten Albaniens die Civilisation auf. Skutari liegt nämlich an einem See, der von dem Flüßchen Bogana gebildet wird, das aber die Hochwasser des nahen Gebirges zu gewissen Perioden in einen reißenden Strom verwandeln, der alles überfluthet. Dann ist die weite Landschaft ein unabsehbarer Sumpf, ungesund und Fieber erzeugend und fast ganz unwegsam und für Reifende geradezu gefährlich. Selbst mit guten Führern und natürlich nur zu Pferde, muß man noch beständig auf der Hut sein, um nicht in den tiefen Sumpflachen, welche die mit großen und kleinen Felsstücken übersäete sogenannte Straße begrenzen, buchstäblich zu versinken.
Skutari selbst bietet alsdann einen wenig erfreulichen Anblick: die zerstreut liegenden Häuser lassen den Ort kaum als eine Stadt erkennen, und die Gärten und Felder sind fast sämmtlich überschwemmt. Die über die Bogana führende lange hölzerne Brücke, die nach türkischer Sitte niemals reparirt wird, ist so baufällig, daß man sich immer Glück wünscht, sie mit heiler Haut passirt zu haben. Und doch ziehen alljährlich zweimal große Karawanen hinüber, die auf Mauleseln, Eseln und Büffeln eine außerordentliche Menge von