Heft 
(1.1.2019) 11
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Adolf Lbeling. Aarawanserai in Skutari.

europäischen Waaren aller Art nach den Ländern des Ostens bringen, speciell nach Adrianopel und nach Konstantinopel, und für diese Karawanen ist Sku- tari der erste Halte- und Verladungsplatz.

Das dortige Karawanserai ist wohl das be­deutendste der ganzen europäischen Türkei, denn es ist wegen des nahen Bazars zugleich einKhan", wo viele Waaren aufgestapelt werden, die für Alba­nien selbst und auch für Montenegro und Bosnien bestimmt sind. Die eigentliche Karawane zieht nach mehrtägigem Aufenthalt weiter nach Osten zu den obengenannten beiden türkischen Hauptstädten, und die lange beschwerliche Reise durch ganz Ru- melien dauert bis nach Stambul und Pera ge­wöhnlich anderthalb und auch wohl zwei Monate. Ein Theil der Karawane geht unterwegs südlich nach Saloniki und später nördlich nach Philippopel; der Hauptzug rastet dann noch einmal in Adria­nopel und zieht in südöstlicher Richtung weiter, bis er endlich als letztes Ziel die Residenz des Sultans am Bosporus erreicht hat.

Während der sogenannten Karawanenwochen, wie sie das Volk nennt, ist Skutari überaus be­lebt und für einen Touristen in hohem Grade interessant. Die bunten Costüme, nicht der Alba­nesen allein, sondern auch der Dalmatiner, der Montenegriner und der übrigen anwohnenden Völ­kerschaften, geben den einzelnen Gruppen der Kauf­leute und der vielen Kleinhändler, der Beamten und sogar der gewöhnlichen Arbeiter ein sehr pit­toreskes Aussehen. Dazwischen gewahrt man überall die auf und ab wandelnden Türken, die sich als dieHerren des Landes" aufspielen, aber im Grunde nicht viel zu sagen haben. Sie sind die einzigen, die einen Turban tragen, an welchem man sie auch sofort erkennen kann; denn alle übrigen Män­ner tragen das Fez, den Tarbusch oder die runde braune Filzkappe. Frauen sieht man auch hier, wie überhaupt im Orient, nur selten; sie bleiben daheim und rüsten das Mahl (das Nationalgericht: Hammelfleisch mit Reis) und legen die Waffen und Kleider des Gatten zurecht, wenn er nämlich die Reise mitmachen will, und vergessen auch den nöthigen Proviant nicht.

Im Karawanenhose selbst herrscht das regste und lauteste Treiben: die Maulthiere und Esel werden hoch beladen Kameele, die Hauptlast- thiere der syrischen und afrikanischen Karawanen, sind in Albanien selten und Bauern aus Bos­

nien oder aus der Herzegowina fahren mit ihrem Büffelgespann auf langenSchleifen", die wie das Untergestell eines Schlittens aussehen, immer neue Waarenballen und Kisten herbei.

Die ungeduldigen und oft sehr wilden Pferde sind gesattelt, und eines frühen Morgens setzt sich der aus vielen hundert Menschen und Thieren be­stehende lange Zug in Bewegung. Dann versinkt Skutari wieder in seine frühere einförmige und langweilige Stille, bis sich nach etwa einem halben Jahre das Schauspiel erneuert.

Wir aber richten, rückwärts gewandt, zum Ab­schied den Blick in ein früheres Jahrtausend, wo, südlich von Skutari und gleichfalls an der Meeres­küste, das alte, berühmte Dyrrachium lag, jetzt das unbedeutende Städtchen Durazzo, mit einem fast versandeten Hafen, ehemals aber das größte Handels­emporium der alten Welt. Im Jahre 48 v. Ehr. war Dyrrachium der Hauptwaffenplatz des Pom- pejus, den Cäsar hier vergeblich belagerte und, von ihm geschlagen, schleunig nach Brundusium (dem heutigen Brindisi) zurückkehrte, um nach Rom zu eilen. Auf dieser Seefahrt in einer elenden Fischer­barke war es, wo der Gewaltige beim herannahen­den Sturm den verzagenden Ruderern znrief: Fürchtet Euch nicht; das Schiff trägt Cäsar und sein Glück!"

Und augenblicklich gewinnt vollends Albanien für uns an doppeltem Interesse, denn die kriege­rischen Gelüste Griechenlands sind zunächst auf diese türkische Provinz und auf das angrenzende Thessalien gerichtet, und gerade während wir dies schreiben, melden uns die Zeitungen, daß die Grie­chen an mehreren Stellen die nördliche Grenze überschritten haben und daß bereits vor Larissa und Arla ein Zusammenstoß mit den Türken statt­gefunden. Zu einem eigentlichen Kriege wird es aber höchst wahrscheinlich nicht kommen, denn ab­gesehen von dem Einschreiten der Großmächte, die noch immer denkranken Mann" am Bosporus schützen und halten, fehlt den Hellenen ein Held wie Cäsar, oder, um in ihrer eigenen Geschichte zu bleiben, wie Capo d'Jstrias oder Maurocordato. Doch das gehört schon nicht mehr in den Rahmen dieses Artikels.*)

*) Die letzten Nachrichten melden bereits die Abrüstung Griechenlands, nach erfolgtem Berständniß mit der Türkei. Wir werden bald sehen, was es mit diesemVerständnis;" auf sich hat. Die Red.