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<L. Zoeller-Lionheart.
„Ich war es!"
Er Prallte zurück. Er sank wie gemäht auf den Stuhl nieder — das hatte er nicht erwartet. —
„Sprich!" Es war ein diktatorischer Befehl. Es überlief ihn heiß und kalt, die Farbe kam und ging in jähem Wechsel. Die Hand legte er schattend über die Augen und Sybille stand vor ihn: in statuenhafter Ruhe, und die Worte flössen gleichmäßig von ihren Lippen, als ginge sie das Alles gar nichts an, als erzählte sie das tragische Schicksal eines wildfremden Menschen:
„Ich war achtzehn Jahre, und ich hatte die beste der Mütter heweint, ein langes Jahr hindurch und lebte einsam und ungeliebt auf unserer Herrschaft am Meer, als eine Weihnachtseinladung zu meinem Oheim eintraf. Vetter Heinz und ich, die wir von Kindheit auf versprochen waren, sollten uns bei dieser Gelegenheit näher kennen lernen. Der Bund fürs Leben sollte wahrscheinlich erst bei seiner Mündigkeit, zwei Jahre später geschlossen werden, um den Grundbesitz der Familie beisammen zu erhalten.
Wir hatten uns gern, weder von seiner, noch von meiner Seite erhoben sich Bedenken gegen den geplanten Bund. Wir waren Beide zu unerfahren und jung, um uns klar zu werden, daß diese kameradschaftliche Sympathie nur so lange Kraft behält, bis ein stärkeres Gefühl in seine Rechte tritt. Wenige Tage später schon trat für Heinz dieser Prüfstein seiner Empfindungen in sein Leben. Mit den Freundinnen seiner Schwester kam Manon Devereux an."
„Still!" schreckte der Professor aus. Er hatte es ja erwarten müssen, dennoch traf es ihn wie ein Schlag ins Gesicht. „Den Namen nicht so laut," entschuldigte er sein aufgeregtes Wesen, „sie war meiner Mutter geliebte Verwandte, die Nichte meines Stiefvaters."
„Und Ihre Braut!" vervollständigte Sybille lakonisch.
Er nickte zustimmend.
„So gut wie meine Braut," vervollständigte er nachträglich. „Zu jung noch zu einem ausgesprochenen Verhältniß, so eine — eine haltlose Jugendschwärmerei — das ist Alles."
„Sie war ein tanzender Sonnenstrahl, die kleine lebhafte Halbfranzösin, sie bezauberte Alles, Alt und Jung, die Herzen flogen ihr entgegen. Mit ihrer kindlichen Grazie, ihrer hinreißenden Warmherzigkeit, ihrer Schönheit, Güte, ihrem unsäglichen Liebreiz, nahm sie Alle unbewußt im Sturm. Mein Vetter war wie geblendet, er sah und hörte nur Eines noch, das war sie — und ich und unser Bündniß waren vergessen."
„Da grollten Sie und trugen es den Beiden nach, und zurückgesetzt und mißachtet, in aufrasender Eifersucht. . . ."
„Mordeten Sie," fiel sie ihm mit unsäglicher Bitterkeit ins Wort. „Sprechen Sie es nur aus, Georg Lenz, was sie mir Alle damals ins Gesicht hinein geschrieen, bis ich blind und taub war vor lähmendem Schreck und Entsetzen und stumm und starr wie ein lebloser Gegenstand, der Alles stumpf über sich ergehen läßt ohne Abwehr, die doch nutzlos ist. Zur aufrasenden Eifersucht gehört Liebe, — die Hab' ich nie für Heinz Wallhoven besessen. Er war für ein so eigen geartetes nachdenkliches Mädchen, wie ich es war, ein gar zu alltäglicher Geselle. Das rosenfrische Pensionskind und der lebensfrische flotte Lieutenant aber paßten zusammen und fanden sich und Jeder, der nicht blind war, konnte sehen, wie's um die jungen Herzen bestellt war. Nicht 'mal die Eitelkeit ward bei mir verletzt, ich fand es viel zu natürlich, nur legte ich mir die verwunderte Frage vor, was nun wohl ans uns Allen werden würde?"
Die diktatorische Stimme meines gestrengen Oheims gab Heinz eben die Antwort auf meine geheime Frage: „Und damit basta, schlag Dir den Unsinn ans dem Kopse, an unglücklicher Liebe stirbt kein Mensch. Die kleine Devereux reist morgen nach Hause und Du zurück in Dein Regiment. Basta, sag ich; im Herbst ist Hochzeit mit Sybille." Er wagte keinen offenen Widerstand gegen die despotische Willensäußerung, aber mich, die ich unbemerkt aus der Schwelle gestanden, sah er bitterbös an und murmelte im Vorbeigehen: „Das ist Dein Werk, aber Du intriguirst vergeblich!" Ich zuckte geringschätzend die Achsel. Ich hätte die böse Aussaat nicht so verachten sollen, sie trug fürchterliche Ernte. Der grundgnte Mensch hat sich in die Idee verrannt, daß ich des Kindes geheime Widersacherin sei; in erster Verzweiflung hat ers auch in alle Winde geschrieen, das machte sie Alle zu meinen verstockten Vcrnrtheilern. Mein stilles zurückhaltendes Wesen, die Folge meiner zurückgezogenen Lebensweise, ließ Keinen recht in mein Denken und Wesen eindringen. Kein Wunder, daß sie mich später für eine rünkevolle, im Dunkeln schleichende Narur hielten, die aus krummen Wegen zum Ziel zu gelangen strebt, wenn die geraden sich ihr verschließen.
Die wildaufrasende Eifersucht hätte kühn mit einem Schlage niedergemüht, das hinterlistige Verbrechen, dessen man mich anklagte, mußte hinterrücks mit erbärmlicher Feigheit geschehen. Professor- Georg Lenz," — sie richtete sich hoch und stolz zur ganzen beherrschenden Größe auf und blickte ihm freimüthig ins Auge, — „Sie haben Scharfblick und Menschenkenntniß — halten Sie mich nach