Heft 
(1.1.2019) 12
Seite
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vr. I. Zteinbeck.

Im Innern der Schloßruinen.

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Menschenherz, ob jung, ob alt, ein und wir singen mit Clemens Brentano:

Da war so klar und tief die Welt,

So himmelhoch das Sterngezelt,

So ernstlich denkend schaut das Schloß,

Und dunkel, still das Thal sich schloßt Und um's Gestein erbraust der Fluß,

Ein Spiegel all dem Ueberfluß,

Er nimmt gen Abend seinen Lauf,

Da thut das Land sich herrlich auf,

Da wandelt fest und unverwandt Der heil'ge Rhein durch's Vaterland, llnd wie an's Vaterland ich dacht',

Das Herz mir weint', das Herz mir lacht."

Und nun zum Schloß hinaus die Sonne geht zu Rüste. Doch halt! Wo das Auge und die Seele schwelgt, wollen Kehle und Magen auch ihr Recht haben. Ob sie noch steht, die alte Kneipe, in der wir als Studenten so mancher Flasche den Hals gebrochen und auf alt und jung Heidelberg so manches Hoch! in jugendlicher Be­geisterung ausgebracht? Gewiß, dort drüben winkt ihr ausgestreckter Arm und gerne treten wir in das altbekannte, Halbdunkels, so gemüthliche Wein- stübchen. Ein halbes Dutzend Heidelberger Phi­lister vom alten Schrot, ein Paar dursllger Musen­söhne füllen zwar den Raum fast ganz, aber gerne !

rücken sie zu und wirschwätzen" ein halbes Stündchen bei gutem, einheimischen Gewächse von dem und jenem mit ihnen, zumal von der Uni­versität und ihrem Jubelfest, das bevorsteht und Allen, ob gelehrt oder nicht, gar sehr am Herzen liegt.Der Mensch hat en Maage und net ume- snnscht!" philosophirt unser Gegenüber und reizt uns durch sein Beispiel, unserem sterblichen Menschen auch in dieser Hinsicht sein Recht zu geben. Dann aber muß geschieden sein, das letzte Glas gilt dem alten Wahrsprnch:Fröhlich Palz, Gott erhnlt's!"

Im glühenden Abendroth liegt die herrliche Schloßruine vor uns, ein märchenhafter, unver­geßlicher Anblick. Wie wunderbar ist es doch, daß die scheußlichste That unseres Erbfeindes, die Ein­äscherung der Pfalz, uns dieses herrliche Kleinod verschaffen mußte! Möchte heute wohl Jemand diese Ruine mit dem stolzesten Fürstenschlosse ver­tauschen? Nein und tausend Mal nein! Mit andächtigem Schauer treten wir in den Schloßhof, und wie nun das goldene Abendroth durch die leeren Fensterbogen bricht und den überall hervor­quellenden Epheu mit röthlichem Schimmer über­gießt, wie hier der Nestor der Schloßtheile, der Ruprechtsban in ernster Majestät, daneben der alte Bau" unseren Blicken sich zeigt, empfinden wir ein unnennbares Gefühl, das kein Mund kündet, keine Feder niederschreibt. Die rauch­geschwärzten, halbzerborstenen Mauern, die reichen Kreuzgewölbe, der prächtige gothische Erker und dann wieder dazwischen der lachende Blick in die

Kamin im Rittersaal des Schlosses.

-MM