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vr. I. Steinbeck.
zu. Nichts ist bezeichnender für die Schönheit dieses. Baues, als daß die Sage entstehen konnte, Michel. Angela sei der Schöpfer des Planes. Seiner würdig ist er gewiß. Unter dem Einflüsse dieses Juwels unter den deutschen Palastbanten ist dann im siebzehnten Jahrhundert der Friedrichsbau im Barockstil der deutschen Renaissance entstanden. Beide — Otto-Heinrichsbau und Friedrichsbau -— sind in ihrem Aeußern ziemlich erhalten und ihre fernere Conservirung ist für Fürst und Volk im neuen deutschen Reiche zur Ehrensache geworden.
Und doch giebt es noch Etwas, das dem deutschen Volke das Heidelberger Schloß interessanter und bekannter gemacht hat, als diese Prachtbauten. Das ist das Heidelberger große Faß.
Eigentlich hat es ihrer drei gegeben, allein zwei von ihnen sind ein Raub der Zeit geworden. Das erste ließ Johann Casimir, ein ernster, glaubenseisriger Fürst, im Jahre 1591 als Sinnbild des überströmenden Segens der Pfalz bauen, das zweite Karl Ludwig, und Karl Philipp ließ es 1728 ausbessern, bestellte ihm auch den berühmten Perkeo als Wächter, dem Victor von Scheffel, der Heidelberger posla Inirraatms, ein ergötzliches Denkmal im Gaudeamus gesetzt hat.
„An Wüchse klein und winzig, an Durste riesengroß," hat Perkeo hier in seinem Doppelamte als lustiger Rath
des Kurfürsten Philipp Wilhelm wie als Faßwächter bis an sein seliges Ende die Heidelberger Gesellschaft mit „fein schimpflichen Worten und Reden" und sich selbst täglich mit 15 bis 18 Flaschen Weines tractirt. Wer's nicht glauben will, läßt es bleiben, aber so viel steht fest: etwas geerbt von den beiden Talenten Perkeo's haben die Heidelberger und Pfälzer und bewahren bis auf den heutigen Tag eine achtungswerthe Fertigkeit im „fein schimpflichen Worten und Reden," wie in: Trinken. Mein lieber Gott! man „schwätzt" eben, wie's der Pfälzer Geist verlangt: „groß im Gedanken, flott im Stil," und beherzigt der Väter Wahlsprnch: „Wo der Wein wächst, da soll man ihn trinken." Auch Perkeo's
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Das Heidelberger große Faß.
Faß ist leer geworden und zerfallen. Das jetzige — dritte — große Faß rührt aus dem Jahre 1751 von Karl Theodor her und hält 283,200 Flaschen. Seit dem Schloßbrande vom Jahre 1764 steht es als die größte Geleertheit Heidelbergs da, aber ein unternehmender Weinhändler hat sich erboten und erbeten, zu den Tagen desJubilänms-Festes es zu füllen, und die edlen Väter der Stadt haben die tiefweise Bedingung dazu gemacht, daß „es eine gute Sorte sein müsse." So kann es nun wieder flott losgehen und an das fröhliche Ende der fröhliche Anfang angeknüpst werden. Dafür, daß das Faß wieder leer und der ingeniöse Weinhändler ein reicher Mann wird, ist uns nicht bange, sobald „es eine - gute Sorte ist."
Die Sonne ist hinabgesunken. Nun gießt der Mondschein sein magisches Licht über die Ruinen und jetzt erst, meinen wir, genössen wir den schönsten Anblick. In den Büschen des Schloßgrabens und Echloß- gartens schlagen zahlreiche Nachtigallen — es ist, als ob Alles sich vereinigte, uns zu entzücken, zu berauschen. Wer da ruhig und kalt bleiben kann, der — nun ja! der verdient, ans Heidelberg ausgewiesen und nach Lappland als Staatsanwalt versetzt zu werden. Wir aber schreiten in unbeschreiblich gehobener Stimmung der Stadt zu, die lichterglänzend sich zu unseren Füßen die laue Sommernacht
ausbreitet und hinein:
singen in
„Auch mir stehst Du geschrieben Jn's Herz gleich einer Braut, Es klingt wie junges Lieben Dein Name mir so traut."
„Und nun schlafen gehen? Nach all' dem Schönen und Herrlichen, das wir genossen haben, die Schwüle des Hotelzimmers aufsuchen? Nein, Freund, das wäre ein Frevel an diesem Tage und an dieser wonnigen Nacht. Horch, dort aus dem Garten tönt Gläserklingen und froher Gesang, die