Heft 
(1.1.2019) 12
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A. von Winterfell. Gustav.

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auch nur die berühmtesten unter den akademischen Größen aufzahlen, die seitdem in Heidelberg gelehrt haben nnd noch lehren. Betonen wollen wir aber, daß seit jener neuen Epoche die schöngeistige Lite­ratur unseres Volkes vielfach in dem herrlichen Heidelberg Wohnsitz und Heimat gefunden hat. Die Häupter der romantischen Schule, Arnim, Brentano, Görres, Tieck, siedelten sich hier an, I. H. Voß lebte hier und in neuester Zeit ist Victor von Scheffel, der uns jüngst Entrissene, Unvergeßliche als Heidelberger Poet pur oxeollonoa, auch George Taylor (Prof. Hausrath, der Ver­fasser von Romanen wie Antinous, Clytia rc.) zu nennen.

So steht die Ruperto-Carolina, schloß der Privat- docent sein Privatissimum, am Vorabende ihres 500 jährigen Geburtsfestes nicht als eine alters­schwache Matrone, sondern als eine schöne, starke alum nmtor da, die, stolz ans die Vergangenheit, noch Stolzeres von der Zukunft im neuen deutschen Reich erhoffend, prangend in der Fülle der Kraft lind Gesundheit, die Glückwünsche ihrer treuen Söhne und des ganzen Vaterlandes entgegennimmt. Bald wird von den Bergen des Neckarthales der tausendstimmige donnernde Ruf wiederhallen, den auch wir nun begeisterten Sinnes erheben:

»Vivat, üoroat, oroseat Ruporto-Oarolina, alnm nmtor!«

ch>»jkav.

Von

A. von Winkrrfrld.

ir treten in ein behaglich eingerichtetes Zim­mer. Auf dein großen, runden Tisch brennt eine Lampe, deren Licht durch den überhängenden blauen Schleier gedämpft ist. Ein zweites Lämpchen, nur für den Nachtgebrauch bestimmt, steht auf dem Gesims des noch unbenutzten Kamins. Das eigen- thümliche Halbdunkel verleiht dem Gemach und allem, was darinnen ist, etwas traumhaftes. Die schweren Möbel scheinen sogar zu schlafen; die übrigen Erscheinungen aber, die alten Bäume, die sich schattenhaft hinter dem Fenster hin- und her­bewegen, schwarz nnd dunkelgran gemalt, sogar die beiden Frauen, die geschäftig ordnen lind hantiren, gleichen mehr den Visionen eines Schlummernde», als der klaren Wahrnehmung des wachenden Men­schen. Der dicke Teppich macht ihren Schritt nn- hörbar; alles, was sie in die Hand nehmen und wieder fortstellen, macht kein Geräusch, sogar die leisen Worte, die sie sprechen, scheinen nur im Traum gehört zu werden; man sieht die Lippen sich bewegen, doch man erräth nur, was sie sagen wollen.

Wo ist denn Hamlet?" murmelte die Aeltere, ein liebes Matronengesicht, aber jetzt wie von einem Mysterium beschattet.Wenn der Herr seinen Hamlet nicht auf dem Tisch sähe, würde er nicht glauben, zu Hause zu sein. . ."

Dann fand sie das Buch und legte es zu Häupten der OllsE-longne . . .

Der Herr? . . . welcher Herr denn?" fragte

die Jüngere, mit dem Wegräumen von Spielzeug beschäftigt . . .welcher Herr denn?"

Nun . . . unser Herr . . . der Gemahl der gnädigen Frau."

Wie? ... die gnädige Frau ist also nicht Wittwe?"

Bewahre Gott!" . . . gab die Alte zurück . . .aber Herr von Schellenberg ist schon so lange fort. . ."

Dann nahm sie schnell eine Zeitung, sah das Datum nach und steckte sie schnell in die Tasche.

Weshalb verbergen Sie das Blatt?" fragte die Andere, die es bemerkt.

Vom zweiten September 1884 . . . eine Zeitung von gestern . . . das hätte einen schönen Schaden anrichten können . . . neue Zeitungen nnd Briefe dürfen bis aus weiteren Befehl der gnädigen Frau nicht in dies Zimmer . . . hat Ihnen denn die gnädige Frau nicht gesagt? ..."

Kein Wort . . sie hat mir eine Menge ge­heinmißvoller Instructionen gegeben, die ich befolgt, ohne sie zu verstehen . . weiter nichts."

Allerdings . . Sie sind ja erst so kurze Zeit hier . . da muß Ihnen vieles dunkel bleiben, was sich vor Jahren zugetragen ..."

Die Jüngere schien zu warten, daß die Aeltere fortfahren sollte; dadurch entstand eine Pause in dem Gespräche.

Die beiden Frauen bewegten sich wieder hin und her, und an den Wänden huschten ihre Schatten