Gustav.
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Der Freund antwortete nicht darauf, sonderu arraugirte ihm die Kissen auf dem Sopha.
„So lege Dich . . das wird Dir gut thun. . Du bist heute ermatteter, denu je" . . . Schellenberg ließ sich widerstandslos zum Sopha führen und sich sanft auf dasselbe Niederdrücken.
„Aber nicht entkleiden," sagte er . . . „für den Fall einer plötzlichen Flucht ist das immer sicherer" . . . Dann streckte er sich auf das Polster und legte die Hände unter den Kopf. Dornblatt hatte sich währenddessen in einen bequemen Stuhl gesetzt.
„Wie Du willst," gab er darauf zurück . . „ich habe unterwegs geschlafen und bin nicht müde . . . Du kannst ruhig schlummern ... ich wache für Dich ..."
Das übte einen beruhigenden Einfluß auf den Kranken ... er streckte sich noch behaglicher und bald sielen ihm die Augen zu . . . Der Freund war bei ihm . . . das treue Herz, das jede Gefahr von ihm abhielt ...
Dornblatt horchte ... er schlief ... die Anstrengung der Reise hatte eine vollständige Erschöpfung hervorgerufeu . . . sein Athen: ging langsam und hörbar. . . das Gesicht war ruhig . . . der zermarterte Geist durfte sich eine kurze Rast gönnen . . . Aber welches Erwachen sollte ihm werden? . . . Wenn des Doetors Plan mißlänge und seine schöne Hoffnung sich in Unheil verkehrte? Wie leicht könnte die Erwartung getäuscht und die Lage noch verschlimmert werden! Nachdem Darmblatt noch zwanzig Minuten gewartet, stand er auf und machte einige geräuschlose Schritte bis zum Sopha. Noch einen Blick auf den unglücklichen Freund; dann die Brust voll frischen Muth geschöpft. Nun nach des Doetors Instruction gehandelt und Gott gebe seinen gnüd'gen Schutz dazu. Leise und vorsichtig öffnete er die Thür des Nebenzimmers.
„Bitte, treten Sie ein; er schläft."
Die junge Frau ging zögernden Schrittes voran und blickte mit tiefer Wehmuth dem kranken Gatten in's Gesicht; der Doctor drückte Dornblatt die Hand; die alte Holmberg kan: mit gefalteten Händen zuletzt; der Knabe blieb im Nebenzimmer bei seinem Spiel.
„Wie bleich . . wie verändert er aussieht" . . . flüsterte die Gattin; doch der Arzt nahm sie bei der Hand, wie unr ihr Kraft zu geben . . .
„Nur keine Schwäche, gnädige Frau," ermahnte er. . . „wir bedürfen unserer ganzen Kaltblütigkeit; denn der Augenblick naht heran..."
Die Dame trocknete gehorsam ihre feucht gewordenen Augen und richtete sich wieder aus.
„Sie, Herr v. Dornblatt," instruirte der alte Mann weiter . . . „legen dieselben Kleider au, die Sie an jenem Tage trugen . . . Sie finden alles
dort in: Cabinet . . . bitte . . . eilen Sie ... die gnädige Frau nimmt zu seinen Füßen Platz. . . liebe Holmberg, die Morgendämmerung hat begonnen, ziehen Sie die Rouleaux auf und tragen Sie die Nachtlampe hinaus ..."
Als Alles geschehen, was der Arzt gesagt, setzte er selbst sich an's Fenster und nahm eine Zeitung zur Hand.
„Und nun Muth und Selbstbeherrschung, gnädige Frau!"
Das erste Morgengrauen schien trüb in's Fenster und beleuchtete ein trübes Bild. Die Sonne hatte etwas leichenhaftes. . . Das Licht war grau und fahl, und allem, was es beschien, drückte es dieselbe triste Färbung auf . . . als wenn das Leben übergeht in Tod . . Ein junges, kummerbleiches Weib am Lager ihres geistig gestorbenen Gatten und ein bleicher alter Mann, der eine schwache Hoffnung trägt. Bald aber ist die Sonne höher gestiegen und Helles Frühroth leuchtet durch den kalten Nebel. . . Die blassen Wangen färben sich mit neuen: Leben und im Herzen zittert eine frische Hoffnung.
Der warme Strahl spielte dem Schlafenden im Angesicht herum ... die geschlossenen Augenlider zuckten . . dann öffneten sie sich . . der Kopf mit den lichtscheuen Augen wandte sich von den Fenstern ab, der andern Wand zu . . allmählich nahmen die kalten Züge einen andern Ausdruck au.. etwas staunendes . . . erregtes . . . wie der Abglanz unerwarteten Wiedersehens ... er glaubte, sein Zimmer zu erkennen ... zu genauerer Jnformirung kehrte er in die vorige Lage zurück und gewahrte den Arzt, der ihm zunickte.
„Na, lieber Freund," redete er auch zu ihm., „heute Morgen scheint's besser zu gehen . . nicht wahr? ..."
Schellenberg sah ihn noch eine ganze Weile mißtrauisch an, als ob er sich vor ihn: fürchtete.
„Sie sind es, Doctor?" brachte er endlich mit schwacher Stimme hervor.
„Jetzt hat's nicht mehr viel auf sich," meinte dieser, die Zeitung weglegend . . „aber Sie können von Glück sagen, daß Sie so davon gekommen sind ..."
„Und Sie, lieber Freund, haben ihn gerettet"... wagte sich nun auch die bange Frau hervor.
Bein: Tone dieser Stimme zitterte der Kranke; dann richtete er den Blick auf sein lang vermißtes Weib und wandte ihn wieder ab . . . erst hatte ihn Freude erfüllt, jetzt war sie der Furcht gewichen.
Der Arzt hatte die Schwäche bemerkt, von der die Arme eben wieder heimgesucht, und kam ihr zu Hilfe.
„Ich hätte Ihren Mann gerettet, meine Gnädigste?" sagte er schnell . . . „ich glaube Herr