Heft 
(1.1.2019) 12
Seite
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A. von Winterfeld.

v. Schellenberg hat es selbst gethan . . . seine kräf­tige Natur hat die böse Krankheit glücklich über­wunden ..."

Der Irre blickte von seiner Frau auf den Doctor und vom Doctor auf seine Frau; als ob er das alles noch nicht recht begreifen konnte.

Theurer Arthur!" sagte diese, seine magern Hände nehmend . . .weißt Du auch, daß wir uns recht um Dich geängstigt haben ... Du erkanntest mich ja gar nicht mehr . . . Aber jetzt erkennst Du mich . . . nicht wahr? . . . ich bin es . . Deine Marie ... die Dich liebt und sich Deiner Genesung freut . . . ."

Der Kranke zweifelte noch immer ... er blieb ohne Bewegung ... der Blick war stier, wie bei Jemand, der sich im Dunkel orientiren will. . . Da klang aus dem Nebenzimmer ein Helles: Mama! Mama!"

Schellenberg zuckte zusammen und richtete sich zur Hälfte auf, während die Frau sich ganz erhob und nach deni Nebengemach ging.

Komm, mein Kind!" sagte sie, dessen Thür öffnend . . .sage Papa Gutenmorgen."

Als sie, den blühenden Knaben an der Hand, wiederkam, sprang der Irre wie entsetzt vom Sopha und streckte abwehrend die Arme aus.

Wie?" fragte der Arzt befremdet. . .Sie wollen dem kleinen Gustav keinen Kuß geben?"

Gustav?" wiederholte der kranke Mann, mit dem Ausdruck des Schreckens auf dem bleichen Ge­sicht . . .Gustav? . ."

Die Mutter führte ihn noch näher heran und der Knabe streckte furchtlos sein Pätschchen aus.

Guten Morgen, lieber Papa!" sagte er, mit seiner klaren Kinderstimme.

Der Vater sah ihn starr an, als wenn ihm ein Gespenst erschienen. . . dann strich er sein Haar und befühlte die kleinen Arme . . . endlich stieß er einen Schrei aus, hob ihn an seine Brust empor und drückte heiße Küsse auf den rothen Mund und die zarten Wangen.

Gustav! mein geliebter Gustav!" rief er ein­mal über das andere.

Nachdem der Doctor es eine Weile zugegeben, nahm er aber den Knaben aus des Vaters Arm.

Wir dürfen unfern Kranken nicht gleich zu sehr angreifen," sagte er;bringen Sie ihn zu seinem Spiel zurück, gnädige Frau ... er soll sich aber recht still verhalten, weil Papa den Lärm noch nicht vertragen kann. . . ."

Die Mutter führte das Kind ab und kam dann aber gleich zurück.

Was ist Ihnen denn, lieber Schellenberg?" fragte der Arzt;fühlen Sie sich jetzt weniger wohl als vorhin?"

Nein!" kam die schnelle Antwort. . . .im

Gegentheil . . . aber sagen Sie mir .. . (hier stockte er, als wenn er nicht direct fragen wollte) . . . Sie sprachen eben von einer Krankheit. . . von einer Gefahr... ich bin also krank gewesen?"

Das will ich meinen!" bestätigte der Arzt... und recht gehörig . ."

So, so! . . . und wie ist das gekommen?"

Man sah es der Frau an, daß sie einen ge­waltsamen Entschluß faßte.

Entsinnst Du Dich nickt mehr des Geburts­tags vom kleinen Gustav," sagte sie,und des Diners bei Herrn v. Dornblatt?"

Gewiß, gewiß!" kam es fast keuchend heraus... das war? . . . wann war denn das?"

Marie stockte; aber der Doctor trat für sie ein.

Vor acht Tagen," sagte er ganz unbefangen.

Der Kranke wiederholte die Antwort; dann athmete er tief aus.

Es war ein.stürmischer Tag und Du hattest schon vorher über Kopfschmerz geklagt," sprach nun die Frau ihre Rolle weiter ... ihr Gatte nickte dazu.

Marie fuhr in steigender Erregung fort. . . aber sie brachte die Worte nur noch stoßweis her­aus ... es fehlte der wohlthuende Zusammenhang ... es klang wie das Arbeiten einer Maschine, die am Ansgange ihrer Kraft ist. . .

Nach dem Diner... bei dem es sehr lebhaft zngegangen sein soll..."

Da war's vorbei... sie machte dem Doctor Zeichen, daß er fortfahren möge, und der that es sogleich. Der Kranke hörte mit gespanntester Aufmerksamkeit. . . fast gierig zu . . . als wenn er die Worte schon vernehmen wollte, ehe sie aus­gesprochen . . .

Kaum aus der Terrasse angekommen" . . . fährt der Alte fort. . . Schellenberg stößt einen Schrei aus, aber der Erzähler läßt sich nicht be­irren, sondern redet schnell zu Ende:Kaum also auf der Terrasse angekommen, sieht man Sie er­bleichen . . schwanken . . dann sinken Sie bewußtlos in unsere Arme..."

Dem Irren war der kalte Angstschweiß vor die Stirn getreten... er mußte sich setzen und trock­nete ihn mit dem Tuch . . .

Und . . . was geschah dann?" fragte er mit keuchender Brust. . .

Sie wurden in schrecklichem Fieber nach Hause gebracht," berichtete der Arzt ... es artete in De­lirium aus. Erst seit gestern sind Sie außer Gefahr..."

Schellenberg ließ den Kopf aus die Brust sinken und erwiderte nichts.

Woran denken Sie?" fragte der Doctor.

Ich wundere mich, daß ich mich nicht ent­sinne ..."

Der Alte lachte.