Heft 
(1.1.2019) 12
Seite
557
Einzelbild herunterladen

Sie Arstchmg einer neuen Generation.

Bon

l)r.. Hermann Klrnckr.

(Fortsetzung.)

entstammen Ehen, in denen die Mutter nervös und schwächlich ist, der Vater abgehetzt und überreizt, sehr oft Kinder mit nervöser Belastung, reizbar, launisch, ohne Gleichgewicht der Stimmung, ohne Willenskraft, zerfahren, mit früh erwachender Sinnenlust, Neigung zu allerlei Streichen, dann aber wird sehr oft auch die Erziehung vernach­lässigt und später, statt im Hause und fein indivi- dualisirt zu geschehen, Pensionen überlassen.

Nervöse Eltern überlassen sich auch ihren Kin­dern gegenüber oft ihren Launen und schnellem Stimmungswechsel, bedrohen die Kinder erst und schüchtern sie ein, um sie dann mit Zärtlichkeiten zu überhäufen, sie lassen den Kindern ihre Passionen und Schwächen merken. Da nun aber die ganze Erziehung auf Nachahmung beruht, so ahmen die K inder leicht dieselben Fehler nach, werden launisch, ei­gensinnig, »verfen sich auf den Boden, wenn ihnen etwas versagt wird, um dann wieder in stürmischer Zärt­lichkeit den Eltern um den Hals zu fallen. Alle diese Fehler der Erziehung rächt das spätere Leben furchtbar, entweder daß durch harte Selbsterziehung diese Fehler allmählich in schweren Kämpfen über­wunden werden, oft so, daß solche Kinder in den Conflikten des Lebens zu Grunde gehen.

Reiche Eltern gewähren nun gar in Affenliebe den Kindern alle Genüsse von früh auf, die ein Kind sich erst verdienen soll durch Arbeit und Leistungen, statt der Phantasie des Kindes freien Lauf zu lassen, die in ihrer frischen Empfänglichkeit und Dichterkraft aus unbedeutenden Gegenständen sich selbst eine reiche Welt schafft, aus einem Sandhaufen einen Feenpalast, einem Stück Papier ein Schiff, einem Stab ein stolzes Roß, überhäuft man die Kinder mit kostbaren kunstreichen Spielzeuge»:, welche eher die Phantasie lähmen, und macht sie so frühe blasirt und anspruchsvoll, man schleppt die Kinder »nit in Theater, Concerte, Restaurationen, bei reichen Leuten umschmeicheln Dienstboten das Kind, »lud fertig ist

der spätere Geck und die Modedame, die, wenn einst das Schicksal ihnen die Glücksgüter raubt, oft auf der Anklagebank wegen falschen Spiels, Unterschla­gung, Vergehen gegen die Sittlichkeit re. enden.

Jean Paul sagt einmal: Wem der liebe Gott wohl will, dem bescheert er eine entsagungsvolle Jugend und »vahrhastig, »venn sie nicht mit allzu bittrer Entsagung verbunden ist, welche die Geistes­kräfte lähmt, so ist sie auch eine große Wohlthat.

Heute spricht und liest man imrner von zu­nehmender Demokratisirung der Gesellschaft, ich möchte vielmehr von einer allgemeinen Aristokrati- sirung sprechen, nicht allgemeine Gleichheit wird an­gestrebt, sondern allgemeine Vornehmheit, wie bei dem Soldatenspiel der Kinder oder Schützenfeste in Trippstrille, giebt es lauter Corporale und Offiziere aber keine Gemeinen mehr. Mau ist zu vornehm sein Kind zu stillen, zu vornehin sein Kind zu er­ziehen, aber nicht zu vornehin um alle Unsinnig- keiten und Unwürdigkeiten der Mode mitzumachen.

Die überwiegende Mehrzahl kennt das Ideal: ein voller wahrer Mensch zu sein, was Goethe eine Natur" nannte, gar nicht, ihr Gespräch, ihre Ro­mane. ihr Sehnen, ihr Ziel istCavalier" oder Gentleman, zu deutsch Reserveoffizier zu sein, also der Schein jenes Ideals. Demnach müßte man heute einen Erziehungsroman wie Wilhelm Meister abändern. Faust und Wilhelm Meister müßten als Reserveoffiziere endigen. So ist es bei den höher»» Klassen, von den niedern empor strebeirden aber münden leider die Meisten, wenn es ihnen möglich ist nach ihrem Belieben ohne Zwang des Erwerbs zu leben, in die falsche Vornehmheit ein, in den Schein eines wahren menschlich freien und edeln Benehmens, in den hohlen Schein derGesellschaft," »veil es so sich schickt, Mode ist und man eben doch in der Gesellschaft leben muß.

Was ist nun dieser allgemeine Tyrann, dem Alles die Knie beugt, die Mode eigentlich? Ein