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weil sonst auch ein Mommsen nicht den Ausspruch gethan hätte, das Judenthum bilde in der Geschichte nur ein decompositives Element.
Bleiben wir indessen unserer Aufgabe treu, die wir dahin auffassen, in möglichster Kürze ein prägnantes Bild vom Talmud zu geben, das in erster Reihe naturtreu sein soll. Licht und Schatten sollen gleichmässig und der Wahrheit entsprechend vertheilt sein. Wir wollen weiter nichts als darstellen, dem gebildeten Publicum ausserhalb des engern Theologenkreises Kenntniss von einer Litteratur verschaffen, über die es bisher nur Anklagen oder Verherrlichungen zu hören bekam.
Vor allem ist es nöthig, sich stets vor Augen zu halten, was der Talmud ist und wie er entstanden ist, sein Wesen und seine geschichtliche Entwickelung zu kennen. In der Regel spricht man schlechtweg „vom Talmud,“ unter dem man eigentlich nur den babylonischen Talmud versteht, der freilich für das religiöse Leben der Juden Norm geworden ist; den in vielfacher Beziehung viel interessanteren palästinensischen Talmud (von Vielen fälschlich der „hierosolymitische“ genannt) kennen auch die meisten jüdischen Talmudforscher sehr wenig oder gar nicht. An sich ist aber der babylonische Talmud nur ein Theil eines sehr ausgedehnten Sammelwerkes, einer umfangreichen Litteratur, die schon die Alten sehr passend als ein weites und tiefes Meer bezeichnet haben, auf dem sich nur seetüchtige und seekundige Männer zurecht finden; ohne die Kenntniss jener Schriften, aus denen der Talmud entstanden ist, wird man schwerlich diesen selbst verstehen. Ausserdem wird der Talmud ohne Erforschung der jüdischen Zeitgeschichte wohl äusserlich ver-