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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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Auch dieser halachische Theil enthält Ueberliefer- ungen, die bis in das biblische Zeitalter reichen und unter allen Umständen für die Kulturge­schichte, nicht nur der Juden, von grosser Be­deutung sind.

Der Ausgangspunkt des Talmuds ist in Wirk­lichkeit das sopherische Zeitalter, das zum Theil noch in der biblischen Epoche wurzelt und jedenfalls bis in das fünfte vorchristliche Jahr­hundert hinaufreicht. DieSopherim, die Schrift­gelehrten, denen später zu Unrecht ein pendan- tisches oder gar heuchlerisches Wesen angedichtet worden ist, waren im gewissen Sinne die Fort­bildner des Judenthums; ohne ihre fruchtbare Thätigkeit hätte diese Religion niemals mehr als eine lokale Bedeutung erlangen können. Wir wollen damit nicht behaupten, dass die Richtung, welche die Sopherim dem Entwickelungsgang des Judenthums gegeben haben, stets durchaus ein- wandsfiei gewesen sei; aber soviel steht fest, dass, wenn die mosaische Lehre nunmehr praktisch durchgeführt und Lebensnorm des jüdischen Volkes werden, wenn seit der Restauration durch Esra- Nehemia alleswie geschrieben steht befolgt werden sollte, der Mosaismus nothwendig nicht als abgeschlossen gelten konnte und durfte, son­dern vielmehr eine organische Fortbildung er­fahren musste. Die Schriftgelehrten erweiterten somit das Schriftwort, indem sie es erklärten. Dadurch konnten sie zum Theil manches in der mosaischen Lehre der Zeit anpassen, manches erleichtern oder auch erschweren, je nach­dem es die Zeitumstände zur Erhaltung des Juden­thums erforderten. Zumeist hiess es,einen Zaun um das Gesetz bauen, d. h. der Gefahr Vorbeugen,

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