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dass der jüdische Partikularismus der griechischen Kultur erläge, die sich in Kleinasien rapid ausbreitete, damit die jüdische Ausschliesslichkeit immer grösser und die Scheidewand zwischen den Juden und der heidnischen Welt immer höher würde. Eine Anzahl von neuen religiösen Einrichtungen wird im Talmud direkt auf Esra und der von ihm gegründeten grossen Versammlung zurückgeführt; diese oder jene Verordnungen hätte Esra erlassen, heisst es an verschiedenen Stellen. Man braucht nicht gerade anzunehmen, dass es wirklich Esra in all den genannten Fällen gewesen sei, der jene Einrichtungen getroffen hatte; sie stammen jedoch alle aus dem sopher- ischen Zeitalter.
Der geschichtliche Sinn war überhaupt in späterer Zeit bei den Juden getrübt, und da die persische Epoche, die über zwei Jahrhunderte gewährt hat, in der talmudischen Chronologie auf vierunddreissig Jahre zusammengeschrumpft ist, so konnte es kein anderer als Esra, oder „Esra und sein Gerichtshof“, gewesen sein, der all die sopherischen Neuerungen im Judenthum eingeführt hat. So z. B. die gewiss sehr lobenswerthe Einrichtung, am Montag und Donnerstag einer jeden Woche, an welchen Wochentagen die bäuerliche Bevölkerung in die Städte zu strömen pflegte (an den bezeichneten Tagen wurden in den Städten die Wochenmärkte abgehalten), in der Synagoge beim Morgengebet aus der Thora vorlesen zu lassen. Dadurch wurde dem Landvolk Gelegenheit gegeben, das Gotteswort aus der heiligen Schrift, das es sonst wohl schwerlich lesen konnte, zu vernehmen. Diese Einrichtung besteht übrigens, wie wohl den meisten Lesern bekannt