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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
Entstehung
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sein dürfte, in den jüdischen Gotteshäusern bis auf den heutigen Tag; die Thoravorlesung bildet einen Theil der Liturgie an den genannten Tagen.

All diese Verordnungen, die im Talmnd als dieEinrichtungen Esras, oder als die Einrich­tungen dergrossen Versammlung, später als dieEinrichtungen der Sopherim (Thekanoth Sopherim) bekannt sind, waren wesentlich religiös­politischer Natur. Denn so gebunden an das Schriftwort sich auch dieSchrifterklärer halten mochten, brachte es doch die Zeitströmung mit sich, dass für die mosaische Lehre dringend eine zeitgemässe Entwickelung erforderlich wurde. Man hielt es aber in der ersten Zeit nicht für nöthig, alle neuen Einrichtungen und Erweiterungen des Judenthums durch ein passendes Schriftwort zu belegen und zu bekräftigen. Denn vor Allem war die Kenntniss der Thora nicht genug ver­breitet, indem das Volk im Grossen und Ganzen schon längst aufgehört hatte, die hebräische Sprache, in der die Thora niedergelegt ist, zu verstehen. Ausserdem regte sich damals noch keine Oppo­sition gegen diese eigenartige Schrifterklärung. Indessen änderten sich die Verhältnisse im Laufe der Zeit. Die Schrifterklärer standen später an der Spitze der städtischen Bevölkerung, insbe­sondere des gebildeten Bürgerthums, der Magistrats­mitglieder, Richter. Gemeindeältesten, die insge- sammt eine Artbürgerlicher Demokratie bil­deten, wie sich Renan trefflich ausdrückt. Sie geriethen in der Folge in eine heftige politische Gegnerschaft zu der staatlichen Autorität, die sich um jene Zeit in den Händen der zaddokitischen (sadducäischen) Aristokratie befand. Bei dem grossen Ansehen, das die heilige Schrift im Volk