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diese letztere Übertritt, verfällt der in der Thora angedrohten Strafe (die bei kleinen Uebertretungen unbedeutend ist), hingegen sei Jedermann, der sich gegen irgend eine Anordnung der Schriftgelehrten auflehnt, des Todes würdig. Um kein Missverständuiss aufkommen zu lassen, wollen wir gleich hier bemerken, dass man in ruhigen Zeiten nicht so streng verfuhr, wohl aber während der erbitterten Kämpfe, die zur Zeit der gewaltsamen Hellenisirungsversuche unter Antiochus Epiphanes in Judäa enstanden waren. Damals wurde in der That ein Mann, der am Sabbat ritt, als Sabbatschänder zum Tode verurtheilt und auch gesteinigt. Das Reiten am Sabbat ist sonst nur „sopherisch“ untersagt und an sich nach der talmudisch-rab- binischen Auffassung eine geringfügige Verletzung der Sabbatruhe, die keine Todesstrafe nach sich ^ieht.
Während des Kampfes um die politische Macht hat die Schriftdeutung eine eigenartige Form angenommen. Um den Nachweis zu führen, dass die Lehre der Schriftgelehrten im biblischen Wort begründet sei, wurde eine minutiöse Schrift- auslegung eingeführt, die kein Wort, keinen Buchstaben, „bis auf das Pünktchen auf dem i“ (in der talmudischen Redeweise, die auch in der evangelischen Litteratur vorkommt, heisst es: „bis auf das Häkchen des Jota“), unbeachtet liess. Auf all diese Einzelnheiten wurden neue religiöse Satzungen gegründet, die zum Theil auf beson- dere Deutungsregeln (zuerst sieben, dann dreizehn mid zuletzt zweiunddreissig an der Zahl) oder auf exegetische Deutungen zurückgeführt wurden.
Die hebräische Sprache förderte durch ihre Eigenthümlichkeiten diese Art von Exegese.