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Da nur die Konsonanten, nicht aber auch die Vokale überliefert wurden, konnte man mitunter dem Wort durch eine Aenderung der Vokale eine andere als die überlieferte Deutung geben; ausserdem wurden einzelne Worte, Partikeln, die im Satzbau verwendet sind, oder auch einzelne Buchstaben, die in der Satzverbindung eine Rolle spielen, als „überflüssig“ behandelt. Und da andererseits nicht gut angenommen werden kann, dass die göttliche Lehre etwas „Ueberflüssiges“ enthalte, so wurde in jenen „überflüssigen“ Be- standtheilen der Thora der Anhaltspunkt für die sopherische Erweiterung der Lehre gefunden. Wir wollen von dieser Methode der Schrifterklärung nur ein Beispiel anführen: In der hebräischen Sprache wird der Akkusativ des Objekts durch das Wörtchen „eth“ (n«) ausgjdrückt (z. B. gleich im ersten Vers der Thora: Am Anfang schut Gott den Himmel und die Erde pttni nsi D'öfc’n ns); die minutiöse Schriftauslegung erklärte jedoch dies Wörtchen für „überflüssig“ (weil es in derThat, wo dies die Prosodie pach gewissen Gesetzen erheischt, auch ausfallen kann); mithin muss es dort, wo es vorkommt, „gedeutet“ werden — und es wurde auch als Erweiterung ('tan) gedeutet. Als man jedoch an den Vers: „Jahweh deinen
Gott ("pn 1 ?« nw nt») sollst du ehrfürchten (5. Buch Mos. 6, 13) kam, musste man wohl mit dieser Methode Halt machen. Denn wen sollte man noch ausser Gott gleich ihm ehrfürchten? und welche „Erweiterung“ durfte diesmal in dem Akkusativ-Partikel DK gefunden werden? Aber der kühne Mischnalehrer Rabbi Akiba (ein Zeitgenosse Hadrians, von diesem wegen der Theilnahme am Barkochba-Aufstand hingerichtet) scheute auch