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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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vor diesem ,.eth nicht zurück es müsste da­hinerweitert werden, dass man auch die Lehrer (die Talmide-Chachamim) ehrfürchten soll, denn die Ehrfurcht vor dem Lehrer gleiche der vor Gott*).

Diese Art Schriftauslegung wurde in späterer Zeit von Uebelwollenden ins Lächerliche gezogen, oder man zuckte mitleidig die Achseln über den getrübten exegetischen Sinn der Sopherim. In­dessen mit Unrecht. Nicht die gekünstelte Schrift­auslegung hat die Erweiterung des Gesetzes ge­schaffen, sondern im Gegentbeil, durch letztere sah man sich genöthigt, dem einfachen Sinn des Schriftworts Gewalt anzuthun. In sopherischer Zeit war auch diese Methode nicht unbestritten; man stellte ihr den Satz entgegen:Auch die

Thora drückt sich in der üblichen Sprachweise aus. Mit anderen Worten: es handele sich in all diesen Fällen keineswegs umüberflüssige Worte oder Buchstaben, sondern um sprachliche und syntaktische Eigenthümlichkeiten, die mit zum Satzbau gehören. Aber dieser Grundsatz kam deshalb nicht zur Geltung, weil man im Geschmack jener Zeit Alles in der Thora finden wollte. Die Schriftgelehrten haben in der Regel alle Fein­heiten der hebräischen Sprache gekannt und sehr gut gewusst, dass dieüberflüssigen Worte und Buchstaben im Grunde genommen unentbehrlich

*) Dass diese Schriftauslegung aus alter Zeit herstammt, ist zweifellos. Denn abgesehen von den vielen Kontroversen, die uns in der talmudischen Litteratur blieben, sind auch die meisten griechischen Uebersetzungen der Thora, namentlich die von Aquila (die von den Mischnalehrern sehr gelobt wurde), von ihr abhängig. Dadurch entstand der eigenartige griechische Jargon, der diese Uebersetzungen kennzeichnet.