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Im Grossen und Ganzen wurde wohl jedem Zweig der religiösen Satzungen und Uebungen, wie auch den privatrechtlichen und politischen Hallachoth ein besonderer Traktat gewidmet; aber nirgends ist strenge Ordnung eingehalten, und am allerwenigsten ging der Redactor systematisch zu Werke. So beginnt z. B. die erste Halacha im ersten Traktat der Mischna mit der Erörterung der Frage, wann man Abends das „Schema“ zu lesen habe (vgl. die Goldschmidt’sche Talmud- Uebersetzung anfangs), ohne zuerst festzustellen, dass jeder Jude überhaupt verpflichtet sei, Morgens und Abends das „Schema“ zu lesen. Ebenso beginnt der Traktat Sabbath (d. h. der über die Sabbatgesetze) mit den Arten des unerlaubten Hinübertragens eines Gegenstandes von einem Gebiet in das andere (d. h. von einem Privatgebiet nach der Strasse als öffentlichem Gebiet und umgekehrt), ohne jedoch zuvor zu erklären, welche Arbeit am Sabbath nicht verrichtet werden dürfe. Diese Erklärung finden wir erst im 2. Paragraphen des neunten Abschnittes des genannten Traktates. Dieselbe Systemlosigkeit ist fast in der ganzen Mischna zu beobachten; am besten ist noch die Ordnung gewahrt in den Traktaten über das Ci- vilrecht und im Traktat Sanhedrin, wo ein Theil des Strafrechts und die Civil- und Strafprozess-
schliesslich der Vorschriften über Gelübde und Nasiräerthum). Die vierte „Ordnung“ heisst „Nesikin“, über Privat-, öffentliches und Strafrecht, Civil- und Strafprozessordnung und Eide, ausserdem enthält sie den agadischen Traktat „Sprüche der Väter“ und die höchst wichtige Sammlung der Tradition (Edijjoth). Die“ fünft e „Ordnung“ heisst „Kodaschim (über die Opfer), und die sechste „Tohoroth“, enthaltend die Reinheitsgesetze.