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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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der in Palästina seine Vervollkommnung in der Lehre erhalten, bedeute so viel wie zwei Palästi­nenser, Es sollte damit gesagt sein, dass wohl die palästinensischen Lehrer grösseres Wissen und mehr Gründlichkeit besassen, weshalb sie ihre babylonischen Kollegen bei weitem übertrafen, aber es fehlte ihnen die natürliche Begabung dieser letztem; wenn somit ein Babylonier seine Aus­bildung in Palästina genossen, so übertraf er die geborenen palästinensischen Gelehrten.

Die babylonische Dialektik hat verschiedene Eigenthümlichkeiten aufzuweisen. Vor allem holte sie die halachische Kontroverse wieder hervor. R. Juda I. hat wohl in der Mischna eine Auswahl der Halachoth getroffen, aber die Diskussion und die zurückgewiesenen Lehrmeinungen, die er nicht mitaufgenommen hatte, wurden, anderweitig ge­sammelt und bei der Erklärung der Mischna be­nutzt. Ein beliebtes Thema der babylonischen Talmudjünger war nun, zwischen der einen Ha- lacha der Mischna und der andern Widersprüche herauszufinden, dem einen oder dem andern Ta- naiten nachzuweisen, dass er sich selber wider­spreche, die Frage aufzuwerfen, nach welcher Ansicht (in strittigen Fällen) sich wohl R. Juda gerichtet haben mag und dgl. Die Art und Weise, wie angebliche oder thatsächliche Widersprüche be­seitigt und die Lehrmeinungen festgestellt wurden, erregt oft unser Erstaunen. Wohl haben die Talmudjünger nicht selten auch dort Widersprüche herausgefunden, wo in Wahrheit keine waren. Man kann jedoch nicht leugnen, dass, wie sie nun einmal die Sache aufgefasst haben, in der That der Schlusssatz dem Anfang widerspricht. Wir wollen davon nur wenige Proben bringen, um