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immer mehr ab. Die Zeitumstände waren dort diesem Studium nicht günstig. Das Christenthum verbreitete sich unterdessen in Palästina und in Kleinasien, und der politischer Druck des heidnischen und nachher christlichen Rom wurde unerträglich. Vor Allem sahen sich die jüdischen Lehrer genöthigt, sich eingehend mit der heiligem Schrift zu beschäftigen, um in der religiösen Disputation gegen die Christen das Feld behaupten zu können. Christliche Lehrer suchten stets aus. der Bibel die Messianität Christi zu beweisen, was natürlich von jüdischer Seite immer bestritten, wurde. Dazu gehörte vor Allem eine weitgehende Kenntniss der heiligen Schrift und der hebräischen Sprache. Auch mussten die Lehrer in Palästina „in das Volk gehn“, wollten sie der christlichen Propaganda wirksam entgegen treten. Anstatt sich nun in subtilen Rechtsfragen und in einer haarspaltenden Kasuistik zu ergehen, vertieften sie sich in das Schriftwort, aus dem sie für Israel Trost, und Muth schöpften und Waffen gegen die christliche Lehre zogen. Auf diese Weise entstand die- palästinensische Agada, die, wie wir bereits gesehen, (oben S. 26 f.) noch in der tanaitischen Zeit feste Wurzel gefasst hatte, aber erst in den spätem Jahrhunderten solche herrliche Blüthen trieb.
Die palästinensische Agada ist eine der erhabensten und schönsten Erzeugnisse des menschlichen Genius. Sie hat im Judenthum kaum ihres Gleichen, denn im gewissen Sinne darf man sie- höher als selbst die prophetischen Bücher schätzen. ‘ Die Agada ist wohl ein Kind der Prophetie, denn sie knüpft stets an das prophetische Wort an; dieses Wort deutete und suchte-