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jedes feinere Gefühl verletzend. Alle diese Bestandteile der Agada sind bekannt genug, da sie von übelwollender Seite zusammengestellt und als Proben des Talmuds und der Agada bezeichnet wurden. Ohne uns in eine Apologie dieser „sackgroben“ Agada zu versuchen, halten wir es im Interesse der wissenschaftlichen Wahrheit für geboten ausdrücklich hervorzuheben, dass jene Aussprüche weder der Talmud noch die Agada sind. Diese herrliche Geistesblüthe, die Agada, verdiente wahrlich nicht verunglimpft zu werden, da sie zu dem babylonischen Unsinn in demselben Ver- hältniss steht, wie etwa Göthes „Faust“ zu dem erstbesten Schwank eines Vorstadtstheaters. In jüdischen Kreisen wurde oft angeregt, diese Bestandteile der Agada aus dem Talmud zu entfernen. Man unterliess es jedoch mit Recht, da an einem alten Kulturbild aus Rücksicht auf die historische Treue nichts geändert werden soll.
Der Talmud wurde von der einen Seite angefeindet, die Agada jedoch von allen Seiten verkannt, am meisten leider von den Juden selbst. Damit hatte es seine eigne Bewandtniss. Im Mittelalter, das für die Juden erst gegen das vierzehnte Jahrhundert begann, aber bis spät in das achtzehnte Jahrhundert dauerte, überwog bei den Juden die Verstandsthätigkeit das Gemüthsleben. Die traurigen Zeiten der blutigen Verfolgungen waren wahrlich nicht danach angethan, die Poesie unter den Juden gedeihen zu lassen. Der Talmud wurde eifrig durchforscht, kommentirt und in Kompendien der ganzen Judenheit zugänglich gemacht. Hingegen wurde die Agada von den „Gelehrten“ vernachlässigt und blos dem „ungelehrten Volk“, das sich in dem talmudischen