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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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samkeit hinzu. Die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden sehr ungünstig.Esaus Reich wurde niemals müde in der Erhebung von Steuern aller Art; kaum war die eine Abgabe entrichtet und schon wurde eine zweite eingefordert. Wie zwischen einem Dornengehege war der Lebens­gang der Juden, bemerkte ein zeitgenössischer Agadist; wo sie nur vorbeigingen blieben sie mit den Kleidern an den Dornen hängen, überall wurden sie gehörig gerupft. Dieses treffende Gleichniss der Agada bezeichnet die Lage der palästinensischen Juden sehr genau. Unter solchen Umständen nahm das Talmudstudium im heiligen Lande immer mehr ab, hingegen labten sie sich unter dem Drucke der Zeit an der Agada. An­fangs bedauerten sie es sehr, dass das Talmudstu­dium bei ihnen aufgehört habe.Früher waren die Zeiten günstig, der Unterhalt war leicht zu erwerben, da beschäftigten wir uns mit der Ha- lacha, jetzt, wo die Armuth unter uns so gross ist, begnügen wir uns mit der Agada; früher war die Last der Fremdherrschaft nicht so drückend, da beschäftigten wir uns mit dem Studium der Halacha, jetzt wo wir unter dem Joch zu leiden haben, laben wir uns an der Agada. Ausserdem beschäftigten sie sich eingehend mit der heiligen Schrift. Die Babylonier hatten wohl keinen grossen Respekt vor denbibelkundigen Palästi­nensern. Was wollte dasVerständniss desbiblischen Schriftthums gegen die dialektische Haarspalterei sagen? Aber die Bibelforschung in den palästi­nensischen Schulen gereichte dem Judenthum zum Heil und zum grossen Segen.

Palästina ist die Geburtsstätte des Vokalisa- tions- und Accenlen-Systems sowie der Masora,