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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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Palästina nicht aufzuhalten. Trotz dieses Aus­spruches des grossen Meisters verliessen viele Jünger die Heimath, um in das heilige Land zu ziehen. Unter diesen befand sich, wie bereits er­wähnt, der geradsinnige R. Se'fra, dem die baby­lonische Lehrweise äusserst unsympathisch war, so dass er vierzig oder hundert Tage gefastet haben soll, damit er alles, was er in der Heimath gelernt, gleich vergesse. Von seiner Liebe zum heiligen Lande wird ein rührender Zug erzählt. Als er sich auf dem Wege nach Palästina nahe an dessen Grenze befand, musste er einen Fluss passiren, wofür er nicht gleich eine Fähre vor­fand; in seiner unbezähmbaren Sehnsucht nach der heiligen Stätte wagte er den Uebergang auf einem schmalen Brette. Ein Christ, der dies sah, bemerkte höhnisch:Ihr seid noch immer das

leichtsinnige Volk geblieben, wie es eure Vorfahren gewesen sind, die etwas zu befolgen übernahmen, das sie noch gar nicht kannten*). R. Seira er­widerte aber:Ich muss mich beeilen, denn wie

dürfte ichs sonst hoffen, in das Land zu gelangen, das Mose und Aron zu betreten versagt blieb (Tr. Kethuboth gegen Ende).

Den Höhepunkt hat das Talmudstudium in

*) Eine Anspielung auf die Bibelstelle 2. B. Mosis 24, 7, wo es heisst:Und [Mose] nahm das Buch des Bündnisses und las es dem Volke vor, und [die Israeliten] sprachen: .Alles was Jahweh sprach wollen wir thun und befolgen. Das Wort das im erweiterten Sinnebefolgen be­

deutet, heisst buchstäblichhören. Die Christen neckten somit die Juden, das diese etwas zu thun versprachen und es erst dann hören wollten. Es scheint dies übrigens ein ständiger Schulwitz der Christen gegen die Juden gewesen zu sein, denn ähnliches wird auch später bei anderer Gele­genheit berichtet (vergl. Jalkut zur Stelle).