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in vielen Schulen die heilige Schrift in dieser rationalistischen Weise erklärt wurde.
Wie in der Epoche, die der Reformation durch Luther vorangegangen ist, die Unzufriedenheit mit den herrschenden Zuständen verschiedenartig zpm Ausdruck gekommen ist und zu mancher Sektenbildung Anlass gegeben hat, so wogte das Sektenwesen auch in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts in der Judenheit, bis es dann unter Anan b. David in der zweiten Hälfte des genannten Jahrhunderts eine feste Form und eine bestimmte Tendenz annahm. Die Missstimmung war gross, und, wie stets in solchen Fällen, waren es gerade die religiösen Elemente, die sich der reformistischen Bewegung angeschlossen haben. Auch dafür finden wir eine Analogie in der Geschichte der deutschen Reformation. Humanistisch gebildete Männer, wie z. B. Erasmus von Rotterdam, hielten sich dem„mönchischen Gezänke“ fern, w'ährend solche von stark religiösem Impuls ihre ganze Kraft an die Durchführung der Reformation setzten. Die jüdischen Rationalisten im achten Jahrhundert halfen sich mit ihrem Zweifel und Unglauben über die nicht gerade befriedigenden Zuständh ihrer Zeit hinweg; aber Diejenigen, denen es um das Judenthum ernst w r ar, fühlten sich darüber unglücklich und opponirten.
Die Machthaber in Babylonien machten es zunächst, wie es eben die herrschende Klasse in solchen Fällen zu machen pflegt: sie riefen die Hilfe des weltlichen Büttels an, sie denuncirten die Männer der Opposition bei den Behörden als „Nörgeler und Unruhestifter.“ Bei dem grossen Einfluss, den sie bei der Regierung besassen, fiel es ihnen nicht schwer, diskretionäre Gewalt über