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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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Seite
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ihre Gegner zu erlangen. Mit Kerker und Geissel- hieben suchte man den Leuten die Lust zur Opposition und zum Weltverbessern auszutreiben. Ausserdem ging man gegen sie auch mit religiösen Strafen vor. Sie wurden in den Bann gethan, ihre Kinder aus der Schule gewiesen, ihren verstorbenen Angehörigen wurde das Grab verweigert, ihre neugeborenen männlichen Kinder durften nicht beschnitten werden. Wären die ersten Männer der Opposition Leute von religionsloser Anschauung, so hätten sie diese Strafmittel nicht empfunden; aber gerade weil sie in Wahrheit durch und durch religiös gestimmt waren, fühlten sie sich darüber sehr unglücklich. Dass aber die geschichtlich nothwendige Bewegung durch solche Machtmittel eingedämmt hätte werden können, war nicht zu erwarten. Das Judenthum musste sich nach anderen, nach geistigen Waffen umsehen, musste auch innerlich erstarken und sich neu beleben, um diesen gefährlichen Feind wirksam bekämpfen zu können.

Die antitalmudische Bewegung, wenn man sie so nennen darf, erhielt eine kräftige Stütze in der Spaltung, die im Exilarchenhause eingetreten war. Revulotionen haben oft genug eine erfolg­reiche Förderung durch Zwistigkeiten unter den Mit­gliedern des Herrscherhauses gefunden. Das war auch in der Judenheit der Fall. Um das Jahr 762 starb d$r Exilarch Salomo b. Chisdai (oder Chasdai), wie es scheint, kinderlos. Die Exilarchatwürde überging somit auf den ältesten Sohn seines Bruders David, auf Anan, der selbst von seinen Gegnern als grosser Gelehrter ge­schildert wird. Nur erzählen die jüdischen Chronologen, Anan sei allzu hochmüthig und