80
waren ihr die babylonischen Glaubensgenossen nicht ernst und innig religiös genug. In Palästina empfand man noch den ganzen nationalen Schmerz über den Niedergang Israels; es gab dort viele Juden, die sich zum Zeichen der Nationaltrauer die ganze Woche hindurch des Fleischessens und des Weintrinkens enthielten. Nur an Sabbaten und Feiertagen wichen sie von dieser Regel ab. Die Beschäftigung mit der heiligen Schritt war ihnen die liebste Erholung. Sie standen somit dem Karaismus ziemlich nah, und da die ersten Lehrer dieser Sekte mehr oder weniger zur Askese hinneigten, so gefielen sie und ihr Schisma den palästinensischen Juden nicht wenig. Von Palästina nahm die antitalmudische Bewegung ihren Fortgang nach Egypten, da die dortige Judenheit von jeher mit der palästinensischen in enger Verbindung stand. Der Talmud war anfangs des neunten Jahrhunderts in Gefahr, seine Autorität über die Judenheit einzubüssen. Die Zeitumstände waren der Verbreitung des jüdischen Schisma insofern günstig, als um jene Zeit auch unter den Islamiten eine weitgehende Spaltung eingetreten war und sich diese in Sunniten und Schiiten theilten, wobei auch hier fast dieselben Motive mitwirkten. Die Schiiten waren Anhänger der .Schrift“, des Korans, während sich die Sunniten auf die „Tradition“ beriefen. Politisch handelte es sich bekanntlich um die Nachfolgeschaft Alis, des Schwiegersohns Mohameds, die seitens der Sunniten bekämpft worden ist, ähnlich wie die Rabbaniten die Nachfolgeschaft Anans im Exilarchat vereitelt haben.
Die ersten Führer des Karaismus traten aggressiv auf, wobei sie je nach den Umständen