Karaismus zumeist in Palästina und Egypten grosse Fortschritte gemacht hat. Ein streitfertiger Propagandist Salmon b. Jerucham (Rucha'im) war besonders für die Verbreitung des karaitischen Schisma mit grossem P’rfolge thätig. Er scheint auch in rabbinitischen Kreisen Einfluss besessen zu haben, da er Unterricht in der heiligen Schrift ertheilte, in einer Disciplin, die von den rabbinitischen Lehrern damals sehr vernachlässigt war*). Einer seiner Schüler war der später als erfolgreichste Bekämpfer des Karaismus und als Religionsphilosoph berühmt gewordene Saadja b. Joseph aus Fajjum, der in der jüdischen Geschichte epochemachend aufgetreten ist.
R. Saadja b. Joseph Alfajjumi ist im Jahre 892
*) Dieser Punkt verdient in aller Kürze klargestellt zu werden. Man hat die Karäer als die Wiederhersteller der Bibelforschung bezeichnet. Aber mit Unrecht. In der ersten Zeit, als das Studium der heiligen Schrift unter den Juden sehr vernachlässigt war, konnte man bei den Karäern (d. h. bei den palästinensischen Juden überhaupt) mehr Kenntniss der Bibel und der hebräischen Sprache finden, als bei den Rabbaniten. Aber bahnbrechend sind erstere auf diesem Gebiete nicht aufgetreten. Punktation, Accente, Massora, Einführung des Silbenmasses in die hebräische Poesie und diese selbst haben wir nur den Rabbaniten zu verdanken. Auch haben die Karaiten keinen einzigen Religionsphilosophen von Bedeutung aufzuweisen. Im Jahre 1860 hat der sonst sehr verdienstvolle S. Pinsker in seinem oben citirten Buch zum ersten Mal karaitische Quellenstudien veröffentlicht, wobei er dem berüchtigten karaitischen Fälscher Abr. Firkowitsch allzu blindlings gefolgt ist. Der Historiker Grätz hat nun im 5. Band seines grossen Geschichtswerkes alles von Pinsker kritiklos übernommen, von welchem Irrthum er auch in späteren Jahren nicht lassen wollte. Nach seiner Darstellung wären Punktation, Accente und Massora von karaitischen Gelehrten ausgegangen. Den tüchtigen Grammatiker Juda Ibn-Koraisch hat Grätz zum Karaiten gemacht. Kennern braucht nicht gesagt zu werden, dass dies alles Seifenblasen sind.