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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
Entstehung
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geboren worden. Es wird von beiden Seiten zugestanden, dass er in den Jünglingsjahren ein Schüler des Karaiten Salmon b. Ruchaim gewesen ist; die Karaiten warfen ihm später Pietätlosigkeit gegen seinen Lehrer vor. Im Alter von dreiund­zwanzig Jahren schrieb er eine kräftige Streitschrift gegen den Karaismus, die, wie es scheint, insbe­sondere gegen Anan, den Begründer des Schisma, gerichtet war. Diese polemische Schrift machte grosses Aufsehen, was wir am besten aus der ent­fesselten Wuth der Gegner ersehen, die ihre tüchtigsten Kämpfer gegen ihn ins Feld sckicken mussten. Mit solcher Waffe, mit der der Wissen­schaft und der litterarischen Polemik, war die karaitische Sekte von den Rabbaniten bisher nicht bekämpft worden; sie war gewöhnt, auf den Talmud zu schimpfen, ohne dass seitens der Rab­baniten eine kräftige Antwort erfolgt wäre. In jenen Staaten, wo die weltliche Macht der Exil­archen sie nicht treffen konnte, durften die Ka­raiten nach Herzenslust das rabbinische Judenthum lächerlich machen und heftig angreifen. Saadja aber war ihnen an Wissen und Gelehrsamkeit nicht nur gewachsen, sondern auch sehr weit überlegen. Ihm konnten sie nicht vorwerfen, dass ihm die heilige Schrift fremd wäre, denn er be­fasste sich gerade mit Studien über sie sehr ein­gehend, und wahrscheinlich um das Monopol, das die Karaiten bislang in dem biblischen Unter­richt der Jugend besassen, endlich zu beseitigen, verfasste er eine gute arabische Bibelübersetzung, die seiner Zeit eine hervorragende Leistung auf diesem Gebiete war. Mit einem Worte: das tal- mudische Judenthum hat in Saadja einen that- kräftigen und kenntnissreichen Mann gefunden,