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Hegemonie im jüdischen Stamme zu sichern, war misslungen. In Europa begann sich das talmudische Studium nach und nach zu verbreiten. Der Anfang wurde in Italien gemacht, wo bereits zu Zeiten Karls des Grossen tüchtige Talmudlehrer sich befanden. Von Italien aus verpflanzte sich das Talmudstudium nach Süddeutschland und Lothringen. Zu grossem Ansehen gelangte dort der berühmte Gesetzeslehrer R. Gerschom b. Juda, zuerst fn Metz und dann in Mainz, der den Ehrentitel „Meor ha-Gola“ (die Leuchte der Diaspora) erhielt. Er blühte in der zweiten Hälfte des zehnten und in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts und starb im Jahre 1040. Das Talmudstudium hat er dadurch wirksam gefördert, dass er die meisten talmudischen Traktate kommentirte. Das talmudische Idiom, noch mehr aber die talmudische Dialektik erschwerte das Studium ungemein, und durch einen leicht- vers'ändlichen Kommentar sollten diese Schwierigkeiten gehoben werden. R. Gerschom ist übrigens auch durch seine gemeinnützigen Anordnungen sehr berühmt geworden, am meisten wohl durch das Verbot der Polygamie in der abendländischen Judenheit, das sich damals als eine kulturelle Nothwendigkeit ergab.
Noch erfolgreicher ist das Talmudstudium in Nordfrankreich durch den berühmten Kommentar des R. Salomo b. Isak (genannt Raschi) gefördert worden. Ohne diesen Kommentar wäre der babylonische Talmud wahrscheinlich ebenso dunkel geblieben wie der palästinensiche, der, weil er für die Praxis keine allzu grosse Bedeutung hatte, von den Kommentatoren vernachlässigt wurde. Dieser berühmte Gesetzeslehrer, der für