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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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genommen, was im Grunde genommen zn bedauern ist.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit noch er­wähnen, dass R. Salomo b. Isak auch einen viel gelesenen Kommentar zu der heiligen Schrift verfasst hat; am meisten ist sein Pentateuch-Kom­mentar bekannt geworden, der ebenfalls grosse Vorzüge aufzuweisen hat. Man hat in den letzten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts diesen Kommen­tar durch den Vergleich mit den Leistungen der spanischen Schule allzutief herabgesetzt. Diese Auffassung erheischt aber eine Berichtigung. Raschi hat wohl in seinem Pentateuch-Kommentar die agadische Auslegung sehr viel benutzt, von exegetischer Kritik kann bei ihm nicht immer die Rede sein. Aber nichtsdestoweniger finden wir in diesem Kommentar neben manchen treff­lichen sprachlichen Bemerkungen ein tiefes Ein­gehen in die Grundstimmung der biblischen Er­zählungen, da gerade die agadische Auslegung das Kolorit dieser poetischen Darstellung am richtigsten wiedergiebt. Wer die Bibel mit Zu­hilfenahme der spanischen Erklärer liest, wird unstreitig bezüglich der Wort- und Formener­klärung der Wahrheit näher kommen; allein in den Geist der heiligen Schrift dringt die agadische Auslegung, der Raschi meistentheils gefolgt ist, viel tiefer. Raschi hat sich auch als religiöser Dichter hervorgethan; von_ihm sind Bussgedichte vorhanden, deren Grundton bittere Klagen über Israels Leiden ist. Er hat nämlich die ersten Kreuzzüge mit all ihren greuelvollen Ausschrei­tungen gegen die nordfranzösischen und deutscen Juden mit erlebt.

Das Talmudstudium nahm in der Folge in