Druckschrift 
Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
Entstehung
Seite
92
Einzelbild herunterladen

In anderer Art entwickelte sich das Talmud­studium in Spanien, wohin es in fast romantischer Weise verpflanzt worden ist. Unter der Herr­schaft des Islams gelangten die Juden Spaniens zu einer hohen Kulturentwickelung. In der Kha- lifenstadt Cordova bildete sich ein Kreis von Gelehrten in verschiedenen Zweigen der Wissen­schaft. Der Mittelpunkt dieses Kreises war der generöse, aber wie es scheint auch etwas eitle Chisda'i (oder Chasdai) Ibn-Schaprut, der grossen Einfluss bei den Khalifen Abdurrahman III. (911961) und Alhakim II. (961976) besass. Um das Jahr 950 kam Ibn-Schaprut an den Hof des zuerst genannten Herrschers, dessen Vertrauen er im hohen Grade genoss. Reich und angesehen benutzte er seine bevorzugte Stellung zur För­derung der jüdischen Wissenschaft, unter Anderen unterstützte er den gelehrten Lexikographen Menachem b. Saruk und dessen literarischen Gegner Dunasch Ibn-Librat, welcher letztere zuerst das Silbenmass nach arabischen Mustern in die hebräische Poesie eingeführt hat.

Das Talmudstudium war in Spanien anfänglich nur sehr schwach vertreten. Im Bedarfsfall wendeten sich die spanisch-jüdischen Gemeinden an die baby­lonischen Hochschulen, wo sie sich Belehrung in religiösen Fragen holten. Dafür schickten sie reichliche Spenden zur Unterhaltung der Akade­mien. Um das Jahr 960 führte jedoch ein folgen­schwerer Zufall eine völlige Umwälzung in diesen Dingen herbei. Um jene Zeit entschlossen sich nämlich vier jüdische Gelehrte aus Bari in Italien (wo jüdische Gelehrsamkeit von jeher eine Pflege­stätte gefunden hatte), eine Reise nach dem Osten zu unternehmen; wie es heisst wollten sie