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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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ein, nachdem noch die beiden berühmten Geonäer R. Scherira und dessen Sohn R. Hai vergebens den Versuch gemacht hatten, das Ansehen der babylonischen Hochschulen zu heben, oder we­nigstens zu erhalten.

Auf spanischem Boden konnte das Talmud­studium nicht dieselbe Entwickelung durchmachen wie in Nordfrankreich und Deutschland. Da war die Erforschung dieses immensen Stoffes und die daran geknüpfte Diskussion fast die einzige geistige Beschäftigung der Juden. Die deutschen und nordfranzösischen Juden waren daher bestrebt, den Talmud noch mehr zu erweitern, was die bereits erwähntenTossaphisten in nur zu reichlichem Masse thaten. Hingegen war es den spanisch­arabischen Juden hauptsächlich darum zu thun, den Talmud zu kodificiren und für die Praxis verwendbar zu machen. Sie wollten es möglich machen, sich im Talmud rasch informiren, um nach ihm entscheiden zu können. In diesem grossen Meere ständig herumschwimmen zu müssen, kam ihnen nicht gelegen, weil sie sich auch mit andern Wissenschaften zu beschäftigen hatten. Dieses Bedürfniss nach Ordnung des talmudischen Lehrstoffes suchten zwar schon früher manche Gesetzeslehrer zu befördern (R. Jehudai Gaon und R. Simon aus Kajar oder Ka- hira), aber ihnen fehlte der Sinn für systematische Ordnung. Der erste bedeutende Versuch auf diesem Gebiete ging von R. Isak Alfassi (aus Fez) aus, der im Jahre 1088 seine Heimath Kalaat Hamad in Nordafrika verliess und sich in Spanien, zuerst in Cordova, dann in Granada und zuletzt in Lucena, niederliess, in welchem letztgenannten Ort er im Jahre 1103 im neunzigsten Lebensjahr