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Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
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Mein Vaterhaus stand in der Friedrichstadt, einer der drei Köllnischen Vorstädte, an die sich, in den Tiergarten und das einstmalige Heideland hineinwachsend, der alte vornehme Westen Berlins angegliedert hat.

Die Straße, in der das Haus lag, deutet noch mit ihrer gekrümmten Fluchtlinie und ihrem Namen darauf, daß hier die Stadtmauer entlang gezogen werden sollte mit Wall und Toren, deren mittleres, das Friedrichs­tor, an die Ecke der Mauer- und Leipzigerstraße zu stehen gekommen wäre. Indessen änderte die strategische Entwertung Berlins als Festung diesen ur­sprünglichen Plan, an den nur noch die Mauerstraße mit ihrer Verwachsen- heit inmitten des gradlinigen Straßennetzes der Friedrichstadt erinnert.

Noch in meine Jugendjahre hinein ragten die Zeugen einer kleinbürger­lichen Bauweise, wie sie auch heutigentags nicht ganz aus dem Bild der Straße verschwunden sind. Geduckt und niedrig, ohne den geringsten Schmuck, mit dunklen Stiegen und einem schmalen verwahrlosten Höschen, in dem hölzerne Schuppen und durcheinander geschobenes Gerät eine be­scheidenste malerische Unordnung hervorrufen, lassen sie ahnen, wie das Wohnhaus der älteren Generationen etwa ein Jahrhundert lang in dieser ganzen Stadtgegend ausgeschaut hat. Ein paar Baumkronen, die mit ihrem frischen Grün über die vom Rost der Zeit getönten Ziegeldächer herübersahen, hellten ein wenig das sonst freudlose Antlitz der Straße auf.

Wie diese altersgrauen und gleichsam zusammengeschrumpften Häuser wird wohl auch das noch aus der ersten Bauzeit der Straße stammende ausgesehen haben, das mein Großvater 1857 erwarb. Er schritt gleich zu einem Neubau von stattlicher Höhe, in der Breite von fünf Fenstern mit einem langgestreckten Seitenflügel und einem Quergebäude, das unten die geräumige Werkstatt für seinen Wagenbau enthielt. Alles war mehr

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