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Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
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paffen, und auch der breite Gurt unter der Fenfterreihe des Hauptgeschosses scheint nur angebracht zu sein, um, so gut es ging, eine organische Verbin­dung mit dem Nachbarhause Nr. 28 herzustellen.

Ältere Darstellungen des Hauses, die aufzuspüren es gelang, bestätigen die Vermutungen des ersten Augenscheins und zeigen, daß die alte Fassade im wesentlichen erhalten blieb. Danach war Brüdersiraße 29 eine gute Probe des Haustyps, wie er sich vom zweiten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts an, zu Beginn der Regierung Friedrich Wilhelms I., in Berlin ausgebildet hat: durchaus bürgerlich und in der schmucklosen Ge­fälligkeit jenes verzopften Barocks, das der sparsamen Zeit des Soldaten­königs die allgemeine Prägung lieh. Freilich ist das Mittelrisalit hier nicht, wie sonst meist üblich, vorgekröpft, sondern schwach eingezogen, aber die leise Bewegtheit der Fassade ist damit ebenso gut hervorgebracht. Wie einfach und doch wie wirkungsvoll ist diese Mitte durch das aus dem steilen Giebel­dach herausgewalmte Fledermausfenster betont! Die anspruchslose Schön­heit des Ganzen ruht auf den guten und sicheren Verhältnissen der Stock­werke, von denen nur das mittlere durch die gradlinigen Balkenverdachungen einen bescheidenen Schmuck erhalten hat. Alle Profile, auch der Sims unter dem Dach, sind eher leicht als schwer, in scharfer Reinheit gezogen und loben das anspruchslose, aber wohlgefesiigte Handwerk der Zeit.

So wird das Haus bereits ausgesehen haben, als es 1714 zuerst in den Grundbuchakten erscheint. Damals ging es aus dem Besitz der v. Eich- städtschen Erben in den des Hof- und Kammergerichtsrats Christian George von Blücher über und blieb in den nächsten Jahren bei dieser Familie. Auch nachdem es 1755 der Hof- und Ordensrat Peter Vigne für 12000 Taler (mehr als das Doppelte des ursprünglichen Kaufpreises) erworben hatte, hieß es noch immer das Blüchersche Haus. Zehn Jahre später, am 1. April 1765 erstand es der Buchdrucker Georg Jakob Decker, und mit diesem neuen Besitzer sehen wir es nun aus seiner gleichgültigen Alltäglich­keit aufsteigen in die Sphäre geschichtlicher Bedeutung.

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