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Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
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Jahre höchsten Ruhmes erlebte. Gustav zu Putlitz nennt siedie glänzendste Erscheinung im deutschen Lustspiel", und als naiv sentimentale Liebhaberin, namentlich im Konversationsstück, feierte sie ihre Triumphe. Um sie und Sophie Löwe stritten sich die feinsten und reichsten Berliner Salons, deren Türen auch das eine Wirkung der Theaterfreundlichkeit des Königs seit den Tagen der Sontag den BühnengrößenL ckeux bLttank" offen standen.

Der besonderen Neigung Friedrich Wilhelms III. für das Ballett kam Graf Redern mit einer sorgsamen Pflege der Tanzpantomime entgegen. Und niemals hat das Ballett glänzendere Tage in Berlin gesehen als in jenen Redernschen Zeiten. In Paul Taglioni besaß die Königliche Bühne neben einem ausgezeichneten Tänzer auch einen fruchtbaren und erfindungs­reichen Ballettdichter, der sich als der würdige Sohn und Erbe seines Vaters, Philipp Taglioni, schnell zu erweisen begann. Er wie seine Frau, Amalie Galster, die, alsSylphide" von Fr. W. Herdt gemalt, in der Bildnis­sammlung der Nationalgalerie zu sehen ist, waren die festen Stützen des einheimischen Ensemble. Aber ihr Ruhm wurde verdunkelt von den euro­päischen Tanzgrößen, die damals eine in der Konvention etwas erstarrte Tanzkunst zu neuem Leben weckten. Es waren die Schwestern Elßler, Fanny und Therese, und Marie Taglioni, die Schwester Pauls. Repräsentantinnen zweier entgegengesetzten Darstellungen und Auffassungen des Tanzes, er­regten sie einen Taumel des Entzückens, der an die Tage der Vigano zurückdenken ließ. Wie überall gab es auch in Berlin Elßleristen und Taglionisten, und wenn die einen sich entzückten an der ekstatisch-sinnlichen Rassigkeit Fanny Elßlers, zu der die sanfte Grazie Thereses die Folie bildete, so schwuren die andern auf die romantisch-ätherische Inbrunst, die den Tanz Marie Taglionis über alles Irdische hinauszuheben schien. Fräulein Taglioni", meinte Theophile Gautier,ist eine christliche Tänzerin, wenn man einen solchen Ausdruck bei einer vom Katholizismus verpönten Kunst gebrauchen darf, im durchsichtigen Gewölk von weißem

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