Druckschrift 
Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
Seite
180
Einzelbild herunterladen

Der Meister selbst aber blieb mit seiner Lebensführung und seinen An­sprüchen in den Grenzen handwerkerlicher Bescheidenheit. Am frühsten Morgen begann er sein Tagewerk; den ganzen Vormittag, von seinem alten Faktotum Schröder kutschiert, fuhr er die Kundschaft ab, überall die Gesellen inspizierend und nicht selten, Rock und Weste abgeworfen, mit eigener Hand eingreifend, um Verpfuschtes in Ordnung zu bringen. Nachmittags saß er, die große dunkelblaue Mundtasse und den ungeheuren hölzernen Zuckerkasten stets neben sich, in dem kleinen Hofzimmer, das sein Kontor darsiellte und von dem aus er das ganze Fabrikwesen überschauen konnte. Da roch es nach dem schlechten Kaffee, den Schröder in lappiger Löschpapierdüte drüben vonMusje", dem geizigen Kaufmanns, alltäglich holte, und nach dem besseren Tabak, den der Meister aus langer weißer Tonpfeife schmauchte. Auf dem schwerfälligen, braun angestrichenen Schreibtisch lagen die in grüne Leinwand gebundenen Geschäftsfolianten, über die der fleißige Mann oft bis in die Nacht sich vertiefte; nicht selten, wenn Schröder um 5 Uhr morgens ihn zu wecken kam, fand er seinen Herrn angekleidet am Schreib­tisch über den Büchern eingenickt. Als einzige Erholung gestattete er sich seine Whistpartie, sein Schöppchen Wein alle Sonnabend in Böttchers Wein­stube gegenüber dem Meilenzeiger auf dem Dönhoffsplatz, wo er übrigens mit Geschäftsfreunden zusammentraf und manches Geschäftliche erledigte, und seinen Kegelschub in einem seiner Fabrik benachbarten Tabagie- garten.

Den sauren Wochen folgten frohe Feste, wozu vor allem die Geburtstage der Familienglieder Veranlassung gaben. Feilner war verheiratet mit der Tochter eines armen Stadtmusikers aus Schwedt. Sicher hat nicht die Musik sie zusammengeführt, denn Vater Feilner war nicht bloß unmusika­lisch, sondern ausgesprochen musikfeindlich. Aber in der Frau lebte Musi­kantenblut. Auf einer kleinen Violine verstand siein kapriziöser Weise mit dem Bogen herumzufiedeln", und mit diesem dünnen, holprigen Musi­zieren vertrieb sie sich die Langeweile auf dem großen geblümten Sofa, das

180