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Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
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das gewaltige Hochkirchbild mit seinem Qualm und Brand ( 1856 ). Alles, was sich um diesen Gipfel schart, erscheint wie Vorbereitung dazu oder Verweilen bei dem Erreichten. Zu keiner Zeit seines Lebens hat sich Menzel so eingehend mit den Problemen phantastischer Beleuchtung beschäftigt, nie wieder dem Zauber der Lichtromantik so sich hingegeben. Es war die Zeit seiner höchsten malerischen Reife, die mit der Mittagshöhe des eigenen Lebens zusammenfiel. Mit dem Flütenkonzert begann er, mit der Treppe zu Lissa hörte er auf. Damals entstanden die Fackelzüge, noch lange nicht genug gewürdigt in der Dämonie der rostrot qualmenden Luft mit den zuckenden Lichtern über den großen Reitersilhouetten, die Atelierwand mit ihren starken Schlagschatten, das l'tieätre Oymna8e mit seinem Rampen­licht und der im Dunkel geballten Zuschauermenge, die er nicht zum Vorteil des Bildes später individualisiert hat.

In die unmittelbare Nähe dieser impressionistischen Höchstleistung gehört derMondschein über der Friedrichsgracht". Im malerischen Problem und in der Handschrift gleichen sich die beiden vollständig.

War es der Zufall eines in früher Herbstmondnacht unternommenen Abendweges oder war es das planmäßige Suchen eines Motivs zu einem anderen Bilde, das Menzel in diesen malerischen Stadtteil führte? Beides ist möglich; für das zweite könnte sein Chodowiecki ( 1859 ) sprechen, den er zeichnend, mit Hut, Stock und Kragenmantel auf der alten hölzernen Waisenbrücke, den Turm der Parochialkirche hinter sich, also in derselben Gegend ein wenig flußaufwärts, darstellte.

Seither hat sich das meiste auch dort so verändert, daß es nicht leicht ist, mit Sicherheit Menzels Standort festzustellen. Man kann nur zwischen der Roßstraßen- und Grünstraßenbrücke schwanken und wird sich schließlich für die letztere entscheiden. Sie hatte damals noch nicht das steinerne monu­mentale Aussehen von heute, sie erinnerte mehr an die Waisenbrücke mit ihrer hölzernen Brustwehr und lag, wie diese, niedrig über dem Wasserspiegel. Geblieben ist die alte Böschung der Friedrichsgracht mit ihrem Knick, der

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