Heft 
(1956) 8
Seite
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WALTER BRFPTHAl/ER:

DIE SAUTEN PER PRI&NITZ

Vom germanischen Bauernhaus berichtet Tacitus:Sie kennen keine Bruch­steine und keine Ziegel, sondern zu allem bedienen sie sich ungestalten Bauholzes ohne Schönheit oder freundliches Aussehen. Was Tacitus im Auge hat, ist der Urtyp des Blockhauses, ein mächtiger Einraum mit lehm­beschlagener Diele, mit Strohdach und niederen Blockwänden, die allem Unwetter trotzten. Die Rundstämme waren unterseitig ausgekerbt und paßten sich der Rundung des Stammes an. Die Fugen wurden mit Moos abgedichtet. Die Balkenköpfe sprangen als Vorkopfreihen über den Eck­verband vor. Erst später verstand es die Zimmermannstechnik, die Balken viereckig zu behauen und sie sorgfältig zu kanten.

Die wertvollen Holzbestandteile konnte man ohne Mühe auf dem Wagen fortschaffen, so zählte das mittelalterliche Haus zurfahrenden Habe. Als die Römer an Rhein und Donau Villen, Paläste, Kastelle, Bäder, Brunnen und Wasserleistungen aus Stein aufführten, wurde diese Bau­weise von der fränkisch-alemannischen Oberschicht übernommen. Der Bauer aber blieb bei der gewohnten Holzbauweise. Kirchen und Klöster förderten die Steinbautechnik. Deutsche Handwerker entlehnten technische Bezeichnungen, Mauer, Kalk, Ziegel. Aus dem Lehmfleet wurde ein kunst­voller Steinfußboden: plastrum = Pflaster. Aus dem windauga wurde ein sorgfältig umrahmtes Fenster (fenestra), aus der schmalen, niedrigen und in der Mitte quergeteilten Tür die römische porta, welche sich in eisernen Angeln bewegte und nicht mehr an Holzhaspen aufgehängt wurde.

Holz- und Steinbau liefen durch 1 % Jahrtausende nebeneinander her: Der Holzbau den Arbeitsgewohnheiten des Volkes sich anpassend, der Stein­bau die Ideen der Oberschicht verkörpernd. Den Auftakt gab der Palastbau Karls des Großen zu Aachen 796804. Der Steinbau beschwor den ver-

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