Heft 
(1915) 4/5
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gebrachten Oese oder Durchlochung das eine Ende einer Schnur befestigte und ihr anderes Ende um die aus den Kleiderfalten hervorragende Spitze der Nadel wickelte. Die Germanen im Ostseegebiet dagegen, die ihre überlegene Technik im Bronzeguß auch diesem Bestandteil der Tracht zuwendeten, stellten die be­schriebene, um die Nadel gewickelte Schnur seit 1600 v. Chr. durchweg in Bronze­draht dar und gaben seit 1600 diesem Bronzedraht an beiden Enden einen ver­zierten Abschluß durch Aufrollung des Drahtes in kleine Spiralscheiben.

In dieser Gestalt trat die germanische Sicherheitsnadel ihren Siegeszug nach Südosten an, wo wiederum die Illyrier sie gern aufnahmen und nachahmten. In Mitteleuropa wurde der germanische Typus wenig verändert; allein im öst­lichen Oberitalien haben die dortigen Illyrier aus dem zweiteiligen germanischen Gerät ein einfaches einheitliches gestaltet, indem sie durch Ümknickung einer Nadel an der Mitte ihres Schaftes, Rückbeugung ihrer Spitze zum Kopfe und Ausgestaltung des Kopfes zu einer kleinen Spiralscheibe ein im Aeußeren dem germanischen Gerät außerordentlich ähnliches schufen, das aber den Vorzug hatte, weit praktischer zu sein. Und in dieser verbesserten Gestalt hat die germanische Erfindung sich von Oberitalien sehr rasch nach Mittelitalien, Griechenland (My- kenä), Kreta, Cypern, ja bis Kleinasien hin verbreitet.

Auch in dieser Frage nach Ursprung und Geschichte der Sicherheitsnadel der europäischen Bronzezeit hat, wie in so vielen Fragen der Kultur europäischer Vorzeit, bis in die allerletzten Jahre hin diejenige Ansicht allein gegolten, die dem geistig angeblich vorgeschrittenen Süden das Verdienst der Erfindung zuschrieb, dem zurückgebliebenen Norden aber lediglich das Verniögen zu unvollkommener und ungeschickter Nachb Idung, die sich nicht über eineVerballhornung" ur­sprünglich weit praktischerer Gedanken und vollendeterer Ausführung erhoben hätte. Erst in allerneuester Zeit ist es mir gelungen, sowohl aus der strengen Untersuchung der Zeit des frühesten Auftretens der Sicherheitsnadel im Norden und im Süden, wie aus der Herstellungsart und dem Gange der Forment­wicklung den unumstößlichen Beweis führen zu können, daß Ursprung und Ge­schichte der Sicherheitsnadel innerhalb der Bronzezeit Europas in Wirklichkeit völlig anders gewesen ist, als man bisher auf Grund bloßer Vorurteile, aber ohne jede Spur wirklicher Beweise sich vorgestellt hat, und zwar so, wie ich es oben dargestellt habe.

In ewig wechselnden Gestalten hat sich dieFibel" durch die ganze Vorzeit bis tief ins Mittelalter hinein gehalten, ja in abgelegenen ländlichen Gegenden hat sie überdauert bis ins 19. Jahrhundert, wo sie dann in der allereinfachsten Art alsPlaidnadel" wieder in die Kulturwelt eingeführt wurde.

Geradezu ins Ungemessene und Unermeßliche aber steigern sich die Kultur­ausblicke angesichts der berühmten germanischen Bronzeblashörner, der Luren, denen das gesamte Altertum Europas und Asiens nichts annähernd Gleiches oder nur Nehnliches an Alter, an Schönheit der Form, an Vollendung in der tech­nischen Herstellung, an Macht und Fülle wie an Milde und Wohllaut in der Klangwirkung zur Seite stellen kann.

Die Leichtigkeit, mit der die Töne des Dreiklangs als Naturtöne diesem Gerät entlockt werden können, beweist daß die Germanen der älteren Bronzezeit also schon vor 4000 Jahren bereits die Vielstimmigkeit besaßen, die das Grund­prinzip der ganzen modernen Musik geworden ist. So haben wir ein Recht, zu behaupten, daß in der Musik, wo alles Große, was in geschichtlicher Zeit in der Welt geleistet worden ist, letzten Endes deutschen Ursprungs ist, bereits in der Vorzeit bis an die Grenzen der Steinzeit hin Germanien für ganz Eu­ropatonangebend" war.

Und wo hoher Stand der Musik bei einem Volke sich zeigt, da können wir mit voller Sicherheit annehmen und schließen, daß die Dichtung nicht minder eine Blüteperiode erlebt hat.

Mit der Dichtkunst eng verknüpft ist in Urzeiten die Gottesverehrung, der Kult. Göttlich verehrt wurden besonders die Mutter Erde und ihr Gemahl, der