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Urgebirges, die aus dem Wasser hervorragten, dahin und dorthin verschleppt worden.
Allen, die sich mit dieser Materie beschäftigt hatten, war schon ausgefallen, daß die Gesteine, die man im norddeutschen Tieflande fand, eine auffallende Aehnlichkeit hatten mit den Gesteinen, die aus Schweden bekannt waren. Eine besonders gewagte Hypothese behauptet daher, daß alle die Gesteine, Gerölle und Kiese durch vulkanische Ausbrüche, die auf der skandinavischen Halbinsel stattfanden, nach Norddeutschland geschleudert worden wären.
Den größten Anklang fand die von dem Engländer Lyell im Jahre 1835 aufgestellte Drifttheorie. Sie nahm an, daß das ganze Norddeutschland bis zu den Mittelgebirgen von einem Meere bedeckt gewesen sei, während zu gleicher Zeit Skandinavien von einem großen Gletscher begraben war. Die von den Gletschern sich ablösenden Eisberge sollen dann, auf dem Meere nach Süden treibend, die nordischen Gesteine nach Norddeutschland verfrachtet und beim Abschmelzen abgelagert haben. Diese Theorie beeinflußte die Forschungen im norddeutschen Diluvialgebiete lange Zeit sehr ungünstig. Auf die Autorität Lyells gestützt, galt sie als unantastbar. Jedoch sie war nicht richtig, denn sie konnte durchaus nicht alle Ablagerungen erklären, die im norddeutschen Flachlande Vorkommen. Es ist eigentümlich, die Sprache unseres Heimatsbodens wurde von den Forschern nicht verstanden. Doch endlich sollte auch der Mann kommen, der diese Sprache richtig zu deuten wußte, der erkannte, daß alle diese Ablagerungen nichts, absolut gar nichts mit dem Meere zu tun haben. Im Jahre 1876 stellte der schwedische Geologe Forell für Norddeutschland seine Inlandeis- oder Gla- cialtheorie auf. Diese sagte kurz und bündig, daß diese Ablagerungen von Gesteinschutt, Sand und Lehm, die den größten Teil Norddeutschlands bedecken, nichts als die Erzeugnisse mächtiger Gletscher seien, die direkt von ihnen in unserer Gegend abgelagert wurden.
Ich muß hier mit einigen Worten auf das Wesen der Gletscher eingehen. Es ist das unbedingt zum Verständnis notwendig. Gletscher sind Eisströme, welche in den Hochschneefeldern entspringen und sich im langsamen Flusse talabwärts bewegen. Sie fließen also wie die Flüsse, nur natürlich viel langsamer. Die Heimat des Hochschnees sind die oberhalb der Schneegrenze gelegenen Partien des Hochgebirges, sowie das Innere der polaren Festländer, wo er sich als Niederschlag der atmosphärischen Feuchtigkeit bildet. (H. Credner, Elemente der Geologie.) Gletscher können also nur dort entstehen, wo die Sommerwärme nicht imstande ist, die gefallenen Schneemassen fortzutauen. Es sammeln sich dadurch große Schneemengen zu den sogenannten Firnschneefeldern an, die schließlich durch den eignen Druck und noch mehr durch die Durchtränkung mit Schmelzwasser und Wiedergefrieren desselben in eine körnige Eismasse, das Firneis, verwandelt werden. Diese Firnschneefelder sind demnach die Nähr- und Sammelgebiete, aus denen der Gletscher entspringt und ernährt wird, sodaß sich Gletscher und Schneefelder zu einander verhalten, wie ein Fluß zu dem See, welchem er Abfluß verschafft (H. Credner, Elem. d. Geol.). Es bewegt sich also auch die Firnmasse fort und fort talabwärts, bis sich schließlich durch weitere Versinterung und Druckwirkung das weiße undurchsichtige Firneis in das klare Gletschereis verwandelt. Der Gletscher wandert nun aus den kalten hohen Regionen langsam zu Tal, bis er schließlich dort sein Ende erreicht, wo sich Abschmelzung und Zufuhr die Wage halten.
Es ist klar, daß die mächtigen zu Tal strömenden Eismassen eine zerstörende Wirkung aus ihre nächste Umgebung ausüben. Von den Felspartien, zwischen welchen sie sich durchdrängen, stürzen zu Tal infolge der zerstörenden Gewalt der Lawinen und des Gletschers selbst größere oder kleinere Trümmer auf die Gletscheroberfläche, wo sie sich infolge der fließenden Bewegung des Gletschereises zu laugen, dem Gletscherrande parallel laufenden Streifen ablagern. Man bezeichnet diese Ablagerungen von Gesteinstrümmern an den Seiten der Gletscher als Seitenmoränen. Vereinigen sich zwei oder mehrere Gletscher zu