Heft 
(1915) 4/5
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gebirgen Skandinaviens kommend und die Ostsee überschreitend, bis weit nach Süden vorgedrungen sein und so einen großen Teil Mitteleuropas überlagert haben und zwar in einer Stärke die vielfach über 1000 Meter ging. Es mag etwas sonderbar erscheinen, daß ein Gletscher ein ganzes Meeresbecken von der Ausdehnung der Ostsee überschritten haben soll. Wenn man aber bedenkt, daß die Ostsee nur sehr flach ist und selten die Tiefe von 100 Metern überschreitet, so kann man sich Wohl vorstellen, daß das kein allzugroßes Hindernis für einen Eismader von 1000 Metern Stärke gewesen sein kann. Es ist übrigens nicht verwunderlich, daß die Behauptung Torrels besonders bei den Anhängern der Lyell'schen Drifttheorie, auf harten Widerstand stieß. Es mußten Beweise für die Behauptung beigebracht werden, und diese sollten nicht allzulange auf sich warten lassen. Torrel selbst entdeckte noch in demselben Jahre, in dem er seine Theorie aufstellte, im November 1875, die Gletscherschrammen auf dem Kalk zu Rüdersdorf. Diese Schrammen waren allerdings schon im Jahre 1836 von Be­amten der Rüdersdorfer Kalkberge bemerkt worden. Diese hatten ihre Vorge­setzten darauf aufmerksam gemacht. Aber wie das so ist: Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande. Auf die Meldungen der gut beobachtenden Be­amten wurde kein Wert gelegt, und so kam die Sage in Vergessenheit. Jeden­falls ist es das Verdienst Torrels, von neuem auf diese Schrammen aufmerksam gemacht zu haben. Sie waren eigentlich so gut wie ein Beweis für seine The­orie. Indessen sollten bald noch andere Beweise dazukommen. Ende der 70er Jahre erklärten deutsche Geologen die Steinwälle in der Gegend von Joachims­thal in der Uckermark und bei Liepe an der Oder für Endmoränen des Inland­eises, und durch die später erfolgende Kartierung der Uckermark und Hinter­pommerns von seiten der preußischen geologischen Landesanstalt wurde diese An­sicht als richtig erkannt. Heute ist der große Endmoränenbogen des großen diluvialen Gletschers festgelegt. Er erstreckt sich von Schleswig-Holstein bis nach Westpreußen hinein in einem fast ununterbrochenen Gürtel. Die Möglichkeit dieser Steinablagerungen in den Moränenwällen sind teilweise von ganz beträcht­licher Stärke. Sie erreichen häufig die Höhe von 10 Metern und sie geben in unserem sonst steinarmen Norddeutschland ein sehr wertvolles Steinmaterial. So werden z. B. die Steinpackungen bei Joachimstal schon jahrzehntelang ab­gebaut, ohne daß sie erschöpft sind. Natürlich ist der Abbau dieser Endmoränen­wälle zu technischen Zwecken vom Standpunkte des Heimatschutzes sehr bedauerlich, denn sie bilden ein Naturdenkmal, wie es nur wenige Gegenden aufzuweisen haben.

Von den beiden zuerst genannten Zeugen der Eiszeit, wie man diese Zeit nennt, in welcher unser Vaterland unter Eis begraben war, den Gletscherschrammen und Endmoränen haben wir in unserer engeren Heimat keine Beispiele. Die Gletscherschrammen konnten sich bei uns nicht bilden, weil in unserer Gegend kein fester Fels zu Tage tritt. Indessen sind außer bei Rüdersdorf noch in vielen anderen Gegenden Deutschlands Gletscherschrammen gefunden worden, so z. B. bei Magdeburg und Halle, bei Hundisburg am Harz, bei Osnabrück, bei Kamenz i. S. und an vielen anderen Orten. Die Endmoränen liegen aller­dings nicht weit entfernt von uns. So bildet die Gegend bei den Ruhner Bergen, nördlich von Putlitz einen Teil des großen norddeutschen Endmoränen­bogens. Jedem, der diese Gegend besucht, wird der außerordentliche Steinreichtum dort auffallen.

Wo ein Gletscher ist oder war, muß es aber auch eine Grundmoräne geben und sie muß naturgemäß in großer Verbreitung Vorkommen, daher muß sie auch bei uns zu finden sein und so ist es auch in der Tat. Sie ist allen Norddeutschen, besonders denen, die östlich von der Elbe wohnen, gut bekannt. Es ist der brave gelbe oder auch graue Lehm, dem wir, wie ich schon vorher erwähnte, die Fruchtbarkeit unserer Aecker verdanken, und der sich im nördlichen Brandenburg, in Mecklenburg, Pommern, West- und Ostpreußen in großer Mächtigkeit vor­findet. Dieser Lehm, auch Geschiebemergel genannt, besteht aus einem Gemenge