Heft 
(1915) 4/5
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klären. Soviel ist nun sicher, daß eine verhältnismäßig kleine Temperatur­erniedrigung genügen würde, vielleicht um 46° L im Durchschnitt, um dieselbe Erscheinung wieder hervorzurufen. Allerdings würde auch eine größere Nieder­schlagsmenge nötig sein, als sie heute ist. Uebrigens bestand die Eiszeit nicht aus einer einmaligen Vereisung des nördlichen Europas, sondern wahrscheinlich haben 3 Vereisungen stattgefunden, die durch wärmere Zeitabschnitte von einander getrennt waren. Man nennt diese Abschnitte die Zwischeneiszeiten oder Jnter- glacialzeiten. Bewiesen wird diese mehrmalige Vereisung durch das Auffinden verschiedener Geschiebemergelschichten (Grundmoränen), die durch geschichtete inter- glaciale Sande getrennt werden. Ob es sich hier nur um Schwankungen des Gletscherrandes oder um längere Befreiung vom Gletscher handelt, ist noch immer eine Streitfrage. Für gewisse Gegenden Deutschlands scheint das Auftreten von Torflagern in den interglacialen Sanden darauf hinzudeuten, daß die eisfreien Zeiten immerhin nicht ganz kurz waren. Zu gleicher Zeit mit Europa war auch ein großer Teil von Nordamerika mit Eis bedeckt. Amerika hatte also damals auch eine Eiszeit, während sich eine solche in Sibirien nicht hat Nachweisen lassen.

Nun noch einiges über die landschaftlichen Bilder, die uns die Eiszeit hinter­lassen hat. Ich führe zu diesem Zwecke wohl am besten an, was F. Wahn­schaffe darüber in seinem oben erwähnten Werke sagt:Die Gebiete des nord­deutschen Flachlandes, in welchen der Geschiebemergel in ausgedehnten Flächen auftritt, zeigen zwei verschiedene Landschaftstypen, einmal sind es ziemlich ebene bis flachwellig entwickelte Hochflächen. Abgesehen von den nur schwachen Terrain­einsenkungen wird die Gliederung dieser Hochflächen nur hervorgerufen durch ein System schmaler, flach eingeschnittener Rinnen, sowie durch vereinzelte oder in Zügen angeordnete Pfuhle oder Dölle". Ich möchte hier noch hinzufügen, daß diese, oft fast kreisrunden Pfuhle ganz außerordentlich charakteristisch für die Gegenden sind, in der Geschiebemergel ansteht. Sie kommen an manchen Stellen sehr zahlreich vor.Wesentlich verschieden", so fährt Wahnschaffe fort, von den mehr gleichmäßig und ebenflächig ausgebildeten Geschiebemergelgebieten sind diejenigen, welche eine sehr mannigfache Oberflächengliederung befolgen und vom Verfasser als Grundmoränenlandschaften im eigentlichen Sinne bezeichnet worden sind. Die Gliederung des Terrains wird dadurch hervorgerufen, daß die fast ausschließlich aus Geschiebemergel nebst seinen Verwitterungs- und Aus­schlämmungsprodukten bestehende Oberfläche auf geringe Entfernungen einen raschen Wechsel der Höhenunterschiede aufweist. Zwischen den zahllosen, in ganz unregelmäßiger, wirrer Anordnung hervortretenden wall- und kuppenartigen An­schwellungen des Terrains liegen viele Einsenkungen, die eine kleinstückige, zer­schnittene Gestaltung der Oberfläche verursachen. Die Bodenwellen umschließen unzählige kleine, meist mit Torf- und Moorbildungen erfüllte rundliche Pfuhle oder Sölle und zahlreiche größere, mehr oder weniger unregelmäßig gestaltete Moore oder Seen. In Ostpreußen haben die Bewohner für solche Landschafts­bildungen den sehr bezeichnenden Namenbucklige Welt."

Die Beschreibung, die Wahnschaffe von der Grundmoränenlandschaft gibt, ist sehr charakteristisch; nur möchte ich für die flachwelligen Gegenden den Namen normale Grundmoränenlandschaft" Vorschlägen, während für die bucklige Welt der NamenGrundmoränenlandschaft im Gebiete der Endmoränen" bezeichnend wäre. Wahnschaffe selbst schreibt, daß diese letztere Grundmoränenlandschaft vorzugsweise im Gebiete des baltischen Höhenrückens vorkommt, d. h. also im Gebiete der Endmoräne und der unmittelbar dahinterliegenden Gegenden. Das Gebiet der eigentlichen Endmoränen hat landschaftlich große Aehnlichkeit mit der von Wahnschaffe als Grundmoränenlandschaft im engeren Sinne bezeichneten Landstriche. Hier steigen nur die Hügel noch höher und steiler empor und an­stelle der einzelnen Kuppen treten mehr sich lang hinziehende, bogenförmig an­geordnete Wälle, die an den meisten Stellen außerordentlich stark mit Steinen und großen Blöcken bestreut sind. Man hat häufig den Eindruck, wie wenn man sich im Gebirge befände. Die Gegenden, in welchen die durch die Aufarbeitung