Heft 
(1916) 1/2
Seite
16
Einzelbild herunterladen

16

Döllen bei Gumtow, den 21. 10. 16.

Hochwürden

wollen meiner tiefen Trauer über den Tod des Herrn Paul Quente versichert sein. Er ist mir so unfaßbar, daß ich mich erst an den Gedanken mit Gewalt gewöhnen muß. Wir Lehrer in hiesiger Gegend hatten ihn alle gern, seine hohe Künstlernatur zeigte sich eben in allen Lebenslagen und dazu sein liebens­würdiger, einfacher, aber aufrechter Charakter. Oft wenn er in hiesiger Gegend weilte, war er Gast bei mir und ich sehe ihn mit seinem strahlenden Gesicht, wenn er im leichten Plauderton die Tiefen seines Wissens über die Entstehung der Völker sein Lieblingsthema zeigte und mancherlei Einwände so einfach und treffend erledigte. Damals opferte er sich für die Idee der Prignitz- geschichte und des Museum; nun ist er das höchste Opfer geworden, das ein Mensch bringt, zu sterben für Kaiser und Reich.

Und wir Mühseligen und Beladenen können nur unsere, über all' die unermeßlichen Menschenopfer unruhig gewordene fragende Seele zu dem kehren, der spricht: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht! Ja! die ewige Heimat hat ihren Sohn ausgenommen, gelöst sind nun für ihn all' die Rätsel, die ihn hier nicht ruhen ließen, und ich muß sagen, so etwas wie leiser Neid legt sich auf die Seele, da der liebe Heimgegangene schauen darf und alles weiß, was uns durch dichte Schleier verhüllt bleibt bis auch wir einst Sehende werden. Nichts für ungut Frau Abtissin, daß ich in der Qual und Not der Stunde das Konventionelle so wenig geachtet habe und das rein Menschliche so ganz meine Gedanken gefangen nahm.

Gott befohlen!

In Ehrerbietung Richard Brunke, Lehrer.

Eigene Briefe.

Sonntag, 10. V. 08.

Meine liebe Mama!

War heute in der Kunstausstellung, dann im großen Garten. In der Kunstausstellung ists ganz gut, aber wie viel schöner ist hoch die Natur. Alles so frisch und saftig grün. Prächtige, große blühende Magnolienbäume, Eichen, Buchen und andere. Dazwischen Rasenflächen. Gänseblümchen darauf. Drosseln, die herumhüpfen und Nahrung suchen und von allen Zweigen Vogel­gesang. Lustig und fröhlich schmettern die kleinen Kerle ihr Lied heraus. Da möchte man sich in den Rasen setzen und Nachdenken über Entstehen und Ver­gehen der Erde. Nachmittags ging ich in den Zoologischen Garten. Er ist lange nicht so groß wie der Berliner, aber auch ganz nett. Junge Bären sind angekommen, kleine drollige kugelrunde Tierchen, denen ihre Bärenmama den Zucker noch aus dem Munde nimmt, um ihnen zu beweisen, daß es gut schmeckt. Überall ließen sich die Tiere gut sein in der Sonne. Ich bekam ordentlich Lust zum Zeichnen. Feine behende Geschöpfe waren da. Kurz, ich habe heute erst recht gesehen, wie groß das Geschaffene ist und wie armselig der Mensch,!. der es wieder geben will.

Herzl. Gruß.