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Führung durchs Museum.
In den Jahren 1012 und 13 suchten Tausende von Prignitzern das noch so junge, eben erst in Frühlingsschönheit erstandene Heiligengraber Heimatmuseum auf. Sie kamen zu Wagen und zu Fuß, von nah und fern, alt und jung, oft geschlossen in Familien, Schulen und Vereinen. War das ein Kommen und Gehen, ein Wogen und Brausen in den doch sonst auch nicht toten Kreuzgängen der alten Abtei! Vielen von ihnen — sie fragten alle nach Paul Quente, dem genialen Schöpfer und Leiter des Museums — war es vergönnt, von ihm selbst geführt zu werden. Sie erlagen zumeist dem unmittelbaren Eindruck seiner Persönlichkeit, sie wurden Mitglieder seines Vereins und dadurch mitlebend seinen idealen Zielen; Heimatliebe und Heimatständigkeit zu Pflegen und zu Wecken, ob auch verschieden an Stand, an Beruf, ob Stadt- oder Landbewohner zu gemeinsamer Arbeit vereint, mit selbstloser Hingabe und Opferfreudigkeit der großen Allgemeinheit dienend.
Die Zahl der Mitglieder wuchs auf 800 an, die der Museumsräume auf 18. Da kam der Krieg. Für kurze Zeit schloß das Museum, als aber die Verhältnisse geklärt und die Gemüter ruhiger geworden waren, öffnete es seine Pforten aufs neue und zeigt seitdem wieder bereitwillig seine Schätze den Schulen und Vereinen, den Urlaubern und Verwundeten aus den Lazaretten und jedem, der Einlaß begehrt.
Wenige Schritte im Kreuzgang der alten Zisterzienser Abtei, vorbei an uralten Mahlsteinen, bringen vor eine verschlossene Tür, ein riesengroßer Schlüssel öffnet, hindurch durch eine zweite eiserne Tür und — Zeit und Gegenwart sind vergessen, Jahrtausende hinter uns versunken. Wir befinden uns in der Vorzeit grauem Heiligtum. Es ist, als grüße uns der alte Germanengeist. Die Phantasie hört das Rauschen der uralten Eichenhaine, sie steht den kühnen, freien Mann hinausziehen zu Kampf und Streit mit Feind, mit Elch und Ur. Da hängen noch seine Gewaffen an der Wand, der gewaltige Bogen und der scharfe Steinpfeil, geschäftet und mit Sehne unlöslich gefestet, die steinerne Streitaxt, das Steinbeil und die Steinlanze. Hier dieses Werkzeug entstammt der Werkstätte eines Ursteinmeisters, es ist ein Schlagstein, mit dem das zu verarbeitende Stück vom Urgestein losgehauen wurd, das dann als Messer, Schaber, Bohrer, Säge, Hacke, Meißel, Beil die Hand des Meisters verließ. Welche Fülle von diesen Steingeräten! Sie gehören zumeist der vorgeschichtlichen Periode an, die von der Wissenschaft als „Jüngere Steinzeit" nach 4000—2000 v. Ehr. verlegt wird. Aber trotz der Fülle und Mannigfaltigkeit kein ermüdendes oder gar verwirrendes Zuviel für das ungeschulte Auge des Laien. Hier hat wahrhaft genialer Geist gewaltet und Künstlerhand geordnet. Vielfach ist das Werkzeug — Beil, Hacke, Säge u. a. — in seinen Entwicklungsstufen vorgeführt und erzählt damit zugleich aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Im Uranfang schon zweckentsprechend, aber noch roh, unbehauen, läßt es das Ringen des Menschen mit dem spröden Material erkennen. Jedes weitere Stück zeigt größeren Fortschritt, der Menschengeist entfaltet sich, das Können wächst, der Schönheitssinn erwacht, und endlich meistert der Mensch den harten Stein, er wird Künstler und schafft in vollendeter Form und Schönheit.
Da auf dem Fenstersims steht wirklich ein regelrechter Steinpflug und dort in dem Schrank eine zweite Pflugschar, und nicht nur gebrauchsfertig für Men- schenhand, sondern auch auf ihre Brauchbarkeit erprobt, wie die beigegebenen Abbildungen erweisen. Mit besonderer Freude, ja Stolz stellte sie der Meister in sein Museum ein, sind es doch bis jetzt die einzigen Stücke dieser Art, die in der Prignitz gefunden wurden.
Noch ein Blick auf die beiden Modelle, die uns die Bestattungsweise der Steinzeitmenschen vor Augen führen, die Steinkiste und die Dolmen. In ihnen