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Aehnlich ergeht es den „Findlingen auf den Feldmarken Reetz und Wutike"?) Durch sagenhafte Verstümmelung der Ueberliefernng ist die Bedeutung des letzteren als eines Grabmals der Steinzeit nur noch schwer zu erkennen. Die Sagen aber, die den Reetzer Findling umgeben, mischen altgermanische und Motive aus der Kolonisationszeit (Riese, Frau Harke — Kirche in Perleberg), die sich zeitlich nicht vereinbaren lassen. Immerhin läßt gerade diese Verschmelzung interessante Rückschlüsse zu. Daß das Volk christliche und kolonisatorische Momente mit anfnahm, zeigt an, daß die Entstehung der Sage ihrem Inhalt nach in eine verhältnismäßig jüngere Zeit fällt. Dagegen muß die Erinnerung an die Bedeutung der Stätte aus germanischer Vorzeit stammen, sich also über Jahrtausende gerettet haben, ehe sie sich in der heute lebendigen Sage niederschlng.
Die Grabdenkmäler der Bronzezeit haben die Phantasie und den Sagenschatz der Prignitzer Bevölkerung viel stärker beeinflußt und bereichert. Eine Anzahl größerer und kleinerer Hügelgräber gibt es in unserem Kreise. Fast alle sind noch in recht gutem Zustande und zeugen von der starken bronzezeitlichen Besiedlung, n) Eine Anzahl der wuchtigen Hügel ist mit der einen Sage umwoben, daß dort mächtige Könige (oft Zwergenkönige") in goldenen, silbernen oder (und) kupfernen Särgen begraben liegen. In der Tat sind es Begräbnisstätten berühmter Germanen. Zu unrecht vermutet die Nolkssage aber Särge und große Schätze darin. Die Bestattungsurne ist gemäß der veränderten Sitte dem Sarg gewichen. Daß sie Gold, Silber, Kupfer und andere wertvolle Dinge enthielten, sind Phantasien einer viel späteren Zeit, als man den Wert dieser Metalle im wirtschaftlichen Leben als Maß benutzte. Es ist interessant, auch hier wieder zu sehen, wie sehr die Volksphantasie übertreibt, und aus Bronze, Eisen und Ton die wertvollsten Metalle entstehen läßt. Der Sagenkreis, der die Bronzezeit in der Prignitz umfaßt, enthält folgende Lokalsagen über Hügelgräber:
1. Das Königsgrab bei Seddin'") — König Hinz.
2. Der „Fingerring"Hügel") — zum Königsgrab gehörig.
3. Der „Geldschrank"hügel — zum Königsgrab gehörig.
4. Der Heidehügel im Walde bei Seddin — Riesenkönig (Herscher der Prig-
5. Der Heidehügel im Walde bei Ackerfelde — Zwergkönigjnitz,goldenerSarg,
6. Der Hügel bei Halenbeck — Spuk nachts. (goldene Kette, reicht drei-
7. Hügelort unbekannt — Rache der Geister. sma! um die Prignitz.
8. Der Hügel mit dem silbernen Sarg'^) — Ort unbekannt.
9. Der Hügel bei Preddöhl — ein Riese spukt.
10. Die Hügel bei Silmersdorf — nicht geheuer.
Aus der nun folgenden Eisenzeit ist uns gleichfalls ein Begräbnisplatz in der Prignitz als Spukort bekannt: das Gräberfeld bei Breddin.'") Dort war es — einer Breddiner Sage nach — an den Abhängen der Wiesenberge nachts nie geheuer. Geister irrten umher und schienen keine Ruhe zu haben. Jeder mied den Ort. Bis eines Tages des nächtlichen Treibens Bann gebrochen wurde, indem — nach zahlreich gesammelten Funden — das Märkische Museum in Berlin an den Hängen der Wiesenberge eine Begräbnisstätte, die 1300 Jahre ununterbrochen benutzt worden war (1400 bis 100 v. Ehr.), ausgrub. Also, daher spukte es bei Breddin. Allerdings mit Recht. Nur war das wirklich Geschichtliche bei dieser Ueberliefernng bis auf ein Nichts verschwunden. Das ist aber auch wenig verwunderlich, wenn wir daran denken, daß der Boden nichts Auffälliges zeigte, sondern die vielen, für die Wissenschaft so kostbaren Urnen und Beigaben für Menschenaug nicht sichtbar in sich barg. Gespukt hat es aber jedenfalls! ")
So erweisen sich fast stets die Spukorte aus der Germanenzeit als geschichtlich bedeutende Stätten. In der Regel sind es Begräbnisplätze, sei es ein Monumentalgrab der Steinzeit, ein massiger Hügel der Bronzezeit oder ein ausgedehntes Flachgräberfeld der Eisenzeit. Jahrhunderte, Jahrtausende schritten mit flüchtigem Schritt an diesen durch das Alter geheiligten Denkmälern vor-