Heft 
(1927) 1/2
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über. Obgleich die letzte Wanderung der germanischen Stämme für die Prignitz von einschneidender Bedeutung war insofern, als die bisher herrschende Be­völkerung von einem gänzlich anders gearteten und gesitteten Teil der großen arischen Völkerfamilie ersetzt wurde, 'retteten die Sagen sich doch bis auf den heutigen Tag hinüber. Welch eine bezaubernde Kraft mußten doch z. B. die Hügel auf die umwohnende Bevölkerung ausüben! Hat sich doch selbst der NameSeddin" als Sitz des Edlen erhalten (indogermanische Wurzel sed-^sitzen'")! Und darin liegt die Bedeutung der im Volksmunde überlieferten Sagen.

(Von der geschichtlichen Sagengruppe ist nur der prähistorische Teil genauer behandelt, von den übrigen Epochen (Wenden-Kolonisationszeit usw.) ist noch abgesehen worden. Es folgt nun der mythologische Teil der Prignitzer Sagen.)

Die mythischen Sagen sind Allgemeingut des ganzen Landes zwischen Elbe, Havel und Dosfe^). Es treten dieselben Geschichten des öfteren auf, nur sind sie an düstere, vom Spuk besonders begünstigte Orte gebunden. Ihren Ursprung nehmen etliche dieser Sagen aus dem Kreis des germanischen Mythos^), als man sich noch die Erde mit Geistern aller Art bewohnt dachte, und Wodan in Walhalla auf seinem Throne saß. Daher sind die Geschichten über ihn und seine nähere Umgebung als die ältesten Mythossagen anzusprechen. Weit sind dieselben in deutschen Landen verbreitet, und um die Weihnachtszeit mit den darauffolgenden heiligenZwölfen" wogt es auch in der Prignitz am nächtlichen Himmel von dem GetümmelDer wilden Jagd"^). Aber nicht nur die hohe Zeit der Wintersonnenwende, sondern auch der Johannistag sieht gar oft die wilde Jagd. Aus Dranse ist folgende Sage überliefert: Bi Dräns höt't een Jung de Schoap. Kämmt doa de will Jagd. Wie dät so int Höcht'n sust un brust un mit de Pietsch'n knallt, röppt et immerto: Jiff, jaff, jiff, fass. De Jung hört det un moakt äbenso. D'oa fällt mit eenmoal een Peerkül vör em doal. Toglicksen hört de lütt Scheeper, wie em von boam toroapeu werd: Heft mitjagd, kannst oak mit späten.

Die Zwergen-, Drachen- und Riesengeschichten bilden weiter mit den ältesten Bestandteil unserer mythischen SagenZ. DieUnnererdschen" sind Len Menschen zum Wohl, stiften aber auch viel Unheil und richten, wenn sie beleidigt werden, manchen Schabernack an. So sehen wir es in einer noch nicht veröffentlichten Sage aus Schweinrich: Een Kobold drew et bi een Buern in Swinrick goar to dull. Würr in de Schün Roggen dröscht, so stün he boam in de Balken un smeet immerto Boakwieten mang den n Roggen. Toletz, as de Buer sik goar uich mehr helpeu künn, keem he doarup, det bös Ding sien Dochter, de een Brut was, as Mitgift mittogäweu. Awer de Swiegerölleru merkn deu'n Bedrug uu breiigen deu'n Kobold wärrer trüch. So driwt he denn sien Wäsn düller as vörher. Da eenmoal grep de Smedgesell sik den'n Kobold in sien Schött un walkt em so dörch, dät det bös Männken von de Tied an nie werrer koamen is.

So ist an vielen Stellen die weitverbreitete Gestalt des Koboldes zu finden, der vielerorts der gute Geist und Schutz des Hauses ist. Die Zwerge sind auch strenge Hüter großer Schätze in Bergen und Hügeln. Gar oftmals stecken hinter solchen Erzählungen vergrabene Werte, deren geschichtliche Her­kunft Hügelgräber vergessen wurde, aber im Gedächtnis des Volkes lebt die Stelle als Spukort fort.") Auch der Drache ist ein unerläßliches Glied der alten Sage. Schon im Weltbild der alten Germanen spielt er eine äußerst wichtige Rolle?) An ihm haftet der Begriff Unglück, Not und Tod. Er ist die personifizierte Gewalt des Bösen. Drum ist er der Behüter von Schätzen, sei es Gold, Silber, Edelstein oder ein verwunschenes, menschliches Wesen (Fafner in der Nibelungensage, Volksmärchen von derverwunschenen Prinzessin".) Oft zieht der Drache auch am nächtlichen Himmel, wer ihn dann sieht, kommt in Not. So erzählen die Leute in Dranse: De Droack treckt. As em de Lüt trecken sehn dähn, was he ganz hell un har een langen Steert. Det wör nich