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daß Sie da sind, so thut er ein übriges. Sie wissen, Sie sind sein Verzug. Man weiß immer, wenn man Verzug ist. Ich wenigstens Hab' es immer gewußt."
„Das glaub' ich."
„Das glaub' ich? Wie wollen Sie das erklären?"
„Einfach genug, gnädigste Gräfin. Jede Sache will gelernt sein. Alles ist schließlich Erfahrung. Und ich glaube, daß Ihnen reichlich Gelegenheit gegeben wurde, der Frage »Verzug oder Nichtverzug' praktisch näherzutreten."
„Gut herausgeredet. Aber nun, Armgard, sage dem Herrn von Stechlin (ich persönlich getraue mich's nicht), daß wir in einer halben Stunde fort müssen, Opernhaus, »Tristan und Isolde'. Was sagen Sie dazu? Nicht zu Tristan und Isolde, nein, zu der heikleren Frage, daß wir eben gehen, im selben Augenblick, wo Sie kommen. Denn ich seh' es j Ihnen an, Sie kamen nicht so bloß um ,6vo o'eloell tou's' willen, Sie hatten es besser mit uns vor. Sie wollten bleiben..."
„Ich bekenne.. ."
„Also getroffen. Und zum Zeichen, daß Sie großmütig sind und Verzeihung üben, versprechen Sie, daß wir Sie bald Wiedersehen, recht, recht bald. Ihr Wort darauf. Und dem Papa, der Sie vielleicht erwartet, wenn es Jeserich für gut befunden hat, die Meldung auszurichten, — dem Papa werd' ich sagen, Sie hätten nicht bleiben können, eine Verabredung, Klub oder sonst was."
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Während Woldemar nach diesem abschließenden Gespräch mit Melusine die Treppe Hinabstieg und auf den nächsten Droschkenstand Zuschritt, saß der alte Graf in seinem Zimmer und sah, den rechten Fuß auf einen Stuhl gelehnt, durch das Balkon- feuster auf den Abendhimmel. Er liebte diese Dämmerstunde, drin er sich nicht gerne stören ließ (am wenigsten gern durch vorzeitig gebrachtes Licht), und als Jeserich. der das alles wußte, jetzt eintrat, war es nicht, um dem alten Grafen die Lampe zu bringen, sondern nur um ein paar Kohlen auszuschütten.
„Wer war denn da, Jeserich?"
„Der Herr Rittmeister."
„So, so. Schade, daß er nicht geblieben ist. Aber freilich, was soll er mit mir? Und der Fuß und die Schmerzen, dadurch wird man auch nicht interessanter. Armgard und nun gar erst Melusine, ja, da geht es, da redet sich's schon besser, und das wird der Rittmeister wohl auch finden. Aber so viel ist richtig, ich spreche gern mit ihm; er hat so was Ruhiges und Gesetztes und immer schlicht und natürlich. Meinst du nicht auch?"
Jeserich nickte.
„Und glaubst du nicht auch (denn warum käme er sonst so oft), daß er was vorhat?"
„Glaub' ich auch, Herr Gras."
„Na, was glaubst du?"
„Gott, Herr Graf..."
„Ja, Jeserich, du willst nicht 'raus mit der Sprache. Das hilft dir aber nichts. Wie denkst du dir die Sache?"
und Meer.
Jeserich schmunzelte, schwieg aber weiter, weshalb dem alten Grafen nichts übrig blieb, als seinerseits sortzufahren. „Natürlich paßt Armgard besser, weil sie jung ist; es ist so mehr das richtige Verhältnis und überhaupt, Armgard ist sozusagen dran. Aber, weiß der Teufel, Melusine..."
„Freilich, Herr Graf."
„Also du hast doch auch so was gesehen. Alles dreht sich immer um die. Wie denkst du dir nun den Rittmeister? Und wie denkst du dir die Damen? Und wie steht es überhaupt? Ist es die oder ist es die?"
„Ja, Herr Graf, wie soll ich darüber denken? Mit Damen weiß man ja nie — vornehm und nicht vornehin, klein und groß, arm und reich, das is all eins. Mit unsrer Lizzi is es gerad' ebenso wie mit Gräfin Melusine. Wenn man denkt, es is so, denn is es so, und wenn man denkt, es is so, denn is es wieder so. Wie meine Frau noch lebte, Gott habe sie selig, die sagte auch immer: ,Ja, Jeserich, was du dir bloß denkst; wir sind eben ein Rätsel? Ach Gott, sie war ja man einfach, aber das können Sie mir glauben, Herr Graf, so sind sie alle."
„Hast ganz recht, Jeserich. Und deshalb können wir auch nicht gegen an. Und ich freue mich, daß du das auch so scharf aufgefaßt hast. Du bist überhaupt ein Menschenkenner. Wo du's bloß her hast? Du hast so was von 'nem Philosophen. Hast du schon mal einen gesehen?"
„Nein, Herr Gras. Wenn man so viel zu thun hat und immer Silber putzen muß."
„Ja, Jeserich, das hilft doch uu uich, davon kann ich dich nicht frei machen..."
„Nein, so inein' ich es ja auch nich, Herr Gras, und bin ja auch fürs Alte. Gute Herrschaft und immer denken, ,man gehört so halb wie mit dazu', — dafür bin ich. Und manche sollen ja auch halb mir dazu gehören. . . Aber ein bißchen anstrengend is es doch mitunter, und man is doch am Ende auch ein Mensch..."
„Na höre, Jeserich, das Hab' ich dir doch noch nicht abgesprochen."
„Nein, nein, Herr Graf. Gott, man sagt so was bloß. Aber ein bißchen is es doch damit..."
(Fortsetzung folgt.)
Wrrsfrscbe Spvichwörckev.
Mitgeteilt von
Wladimir Lzumikow.
Ein schlechter Freier zeigt vielen guten den Weg.
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Man muß deil Biet, eh' er übergärt, abgießen und ein Mädchen verheiraten, eh' es überreif wird.
Besser Brot mit Wasser als Kuchen mit Sorgen.
Ist ein Mann nicht ganz so häßlich wie der Teufel, so ist er schön.
Wenn Adler kämpfen, lesen Kinder die Federn auf.
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Wer ein kurzes Bein hat, braucht das Hinken nicht zu lernen.-